Der Mond scheint zu uns hinein, Er sieht mich als armen Commis–?–
Obgleich im Leben eine sehr bekannte Erscheinung, ist der Commis doch noch niemals zum Gegenstand einer schriftlichen Erörterung gemacht worden. Meines Wissens wenigstens nicht. Er ist vielleicht zu alltäglich, zu unschuldig, zu wenig blaß und verdorben, zu wenig interessant, der junge schüchterne Mann mit der Schreibfeder und Rechentafel in der Hand, um den Herrn Dichtern als Stoff zu dienen. Mir indessen dient er gerade. Es war mir ein Vergnügen, in seine kleine frische, wenig abgegraste Welt zu schauen, und darin Winkel zu finden, die so schattenhaft heimlich von der sanften Sonne beschienen sind. Gewiß habe ich meine Augen bei diesem schönen Ausflug zu wenig aufgetan, bin an vielen lieblichen Plätzchen vorbeigelaufen, wie es ja geschieht auf Reisen. Aber habe ich nur einiges von dem Vielen aufgezeichnet, so muß zwar das Lesen des Wenigen noch nicht geboten sein, aber es dürfte doch immerhin erfrischend und nicht zu ermüdend wirken. Entschuldige, Leser, daß ich dir vorrede. Aber Vorreden sind nun einmal eine Sucht von lustigen Schriftstellern. Also weshalb eine Ausnahme machen? Leb' wohl und verzeih mir.
Ein Commis ist ein Mensch zwischen achtzehn und vierundzwanzig Jahren. Es gibtältere Commis, die aber hier nicht in Betracht fallen. Ein Commis ist in seiner Kleidung wie in seiner Lebensweise ordentlich. Unordentliche fallen außer Betracht.Übrigens gibt es verschwindend wenige von letzterer Sorte. Der rechte Commis legt gewöhnlich keinen reichen Witz an den Tag; er wäre ein mittelmäßiger Commis, wenn er es täte. Ein Commis erlaubt sich in Bezug auf Ausschreitungenäußerst wenig; feuriges Temperament ist in der Regel nicht seine Sache, dagegen besitzt er Fleiß, Takt, Anpassungsgefühl und eine Menge Eigenschaften, die so köstlich sind, daß sie ein so demütiger Mann, wie ich bin, nicht oder kaum zu erwähnen wagt. Ein Commis kann ein sehr herzlicher und herzhafter Mensch sein. Ich kenne einen, der bei einer Feuersbrunst eine hervorragende Rolle im Rettungswesen gespielt hat. Ein Commis ist im Handumdrehen ein Lebensretter, geschweige denn ein Romanheld. Warum werden Commis so spärlich zu Helden in Novellen gemacht? Ein Fehler offenbar, der endlich einmal ernstlich der vaterländischen Literatur unter die Nase gehalten werden muß. In der Politik, sowie in allenöffentlichen Fragen hat der Commis seine gewaltige Tenorstimme wie nichts. Jawohl, wie nichts! Etwas muß besonders hervorgehoben werden: Commis sind reiche, prächtige, ursprüngliche, herrliche Naturen! Reich in jeder Beziehung, prächtig in vielem, ursprünglich in allem und herrlich sowieso. Sein Talent zu schreiben macht leicht einen Schriftsteller aus dem Commis. Ich kenne zwei, drei, deren Traum, Schriftsteller zu werden, bereits in Erfüllung gegangen ist, oder noch gehen wird. Ein Commis ist eher ein treuer Liebhaber als treuer Biertrinker, sonst steinigt mich. Zum Lieben besitzt er eine besondere Neigung, und in jeder Art Galanterie ist er Meister. Ich habe einst ein Fräulein sagen hören, sie möchte lieber mit allem andern, als mit einem Commis eine Heirat schließen. Das hieße nur Elend versorgen. Ich aber sage, dieses Mädchen muß einen schlechten Geschmack und ein noch abscheulicheres Herz gehabt haben. Ein Commis ist in jeder Hinsicht empfehlenswert. So reinen Herzens ist kaum ein Geschöpf unter der Sonne. Besucht ein Commis etwa mit Vorliebe aufwieglerische Versammlungen? Ist er je so liederlich und anmaßend wie ein Künstler, so geizig wie ein Bauer, so protzig wie ein Direktor? Direktor und Commis sind zwei verschiedene Dinge, Welten, so weit voneinander entfernt wie Erde und Sonne. Nein, eines Handelscommis' Gemüt ist so weiß und reinlich wie der Stehkragen, den er anhat, und wer hat schon einen Commis mit anders als tadellosem Stehkragen gesehen? Ich möchte wissen, wer?
Schüchtern kann der Poet sein, der, von der Welt verachtet, sich in seiner einsamen Dachkammer die Manieren, die in der Gesellschaft gelten, abgewöhnt hat, aber ein Commis ist noch viel schüchterner. Wenn er vor seinen Chef tritt, eine zornige Reklamation im Munde, weißen Schaum auf den bebenden Lippen, sieht er da nicht wie die Sanftmut selber aus? Eine Taube könnte ihr Recht nicht milder und sanftmütiger verfechten. Ein Commisüberlegt hundert-, ja tausendmal, was er unternehmen will, und nur, wenn er sich vor eine Entscheidung gestellt sieht, zittert er vor Tatendrang. Dann wehe jedem, der sein Feind ist, wäre es selbst der Herr Direktor! Sonst aber ist ein Commis nie mit seinem Los unzufrieden. Er führt mit Behagen sein stilles Schreibdasein, läßt Welt Welt, und Streitereien Streitereien sein, ist klug und weise, und sieht aus, als ob er sich in sein Schicksal ergäbe. Bei seiner eintönigen und einfarbigen Beschäftigung hat er nicht selten Gelegenheit zu spüren, was es heißt, ein Philosoph sein. Er hat, vermöge seiner ruhigen Natur, das Talent, Gedanken an Gedanken zu reihen, Einfall an Einfall, Blitzidee an Blitzidee, und mit bewundernswerter Gewandtheit koppelt er seine Gedankenkolosse wie einen Güterzug von unabsehbarer Länge zusammen, vorn Dampf, hinten Dampf, und so sollte es nicht vorwärtsgehen?Über Kunst, Literatur, Theater und andere nicht gerade sehr propere Dinge weiß demnach der Commis mit richtigem Urteil, mit vielem Takt und vieler Besonnenheit stundenlang zu reden. Nämlich im Bureau, wenn er glaubt, sich ein bißchen der Allgemeinheit widmen zu sollen. Schießt dann der Chef mit Donner und Hagel hinein, was zum Teufel es da so eifrig zu disputieren gäbe, husch, ist das intelligente, seitenlange Gespräch weg und der Commis wieder er selbst. Das ist sicher, ein Commis istäußerst verwandlungsfähig. Er kann rebellieren und gehorchen, fluchen und beten, sich winden und trotzen, lügen und die Wahrheit sagen, schmeicheln und aufprotzen. In seiner Seele finden die mannigfaltigsten Empfindungen so gut Platz wie in den Seelen anderer Menschen. Er gehorcht gern und widersetzt sich leicht. Für letzteres kann er jedesmal nichts; (Ich wiederhole mich zwar nicht gern, aber:)– denn gibt es etwas Sanfteres, Willigeres, Gerechteres auf Erden als ihn? Für seine Bildung ist der Commis besorgt und wie! Den Wissenschaften, den zeitraubenden Wissenschaften widmet er einen großen Abschnitt seines Lebens, und er würde sich gekränkt fühlen, wollte man leugnen, daß er auch hierin ebenso gut glänze, wie in Dingen seines eigenen Faches. Obgleich Meister in seinem Fach, schämt er sich, es zu zeigen. Diese schöne Gewohnheit führt ihn manchmal sogar so weit, daß er lieber ein Dummkopf als einÜberlegener erscheinen will, was ihm oft unverdiente, vorschnelle Rügen zuzieht. Aber was schadet das einer stolzen Seele!
Die Welt und das Wirkungsfeld eines Commis ist das enge, schmächtige, karge, trockene Bureau. Die Werkzeuge, mit denen er meißelt und schafft, sind Feder, Bleistift, Rotstift, Blaustift, Lineal und allerhand Zinstabellen, die sich einer näheren Beschreibung gerne entziehen. Die Feder eines rechtschaffenen Commis ist meist recht spitz, scharf und grausam. Die Schrift ist meist sauber, nicht ohne Schwung, ja, sogar manchmal zu schwungvoll. Beim Ansetzen der Feder zaudert ein tüchtiger Commis einige Augenblicke, wie um sich gehörig zu sammeln, oder wie um zu zielen wie ein kundiger Jäger. Dann schießt er los, und wieüber ein pa