Mitten im Meer eine kleine Insel, von hohen Wellen umbrandet. Er und sie sind in dem Haus, das die Insel ausfüllt und in dem eine Matratze liegt, die so groß ist wie das Haus. Wellen schlagen gegen die Hausmauern, Felsen ragen aus dem Wasser, in die unverputzten Ziegelwände hinein. Vor der Abfahrt mussten sie genau angeben, was sie essen werden, Mahlzeit für Mahlzeit, und die genauen Mengen. Ihr gesamter Lebensmittelvorrat, der zum Teil aus fertigen Speisen bestand, war in zwei Kartons verpackt, für die Nacht und den darauffolgenden Tag. Die Mengen deuteten auf länger hin. Zwei Kartons, als gehörten sie nicht zusammen, als wären sie zwei zufällig miteinander Reisende. An Essen erinnert sich Marianne nicht, aber an die hohen Wellen, die gegen die Wände schlagen. Fest und sehr hart.Nur beim Verteidigungshaushalt heißt es plötzlich, das sei ein souveränes Recht des Staates. Das ist doch… Aber was hat das mit Krankenschwestern zu tun? Marianne fällt noch einmal in den Schlaf zurück und weiß, dass sie von der Hitze nur träumt. Sie liegt zwischen Decken und Polstern und unter Daunen, ihr Zimmer ist nicht geheizt. Was sie als Kind hasste, muss jetzt sein. Schlafwarm ist sie, aber der Schweiß rinnt nicht wie im Traum in Bächen an ihr hinunter. Sie greift sich zwischen die Brüste.
Es ist dunkel, Marianne erkennt die grünen Ziffern des Radioweckers, der in ihren Traum hineinrauscht, sodass er sich scheppernd davonmacht und entschwindet. Sie hört von einem iranischen CIA-Agenten, dass es sich um eine Hinrichtung handelt, bekommt sie nicht mit. Sie träumt meistens von– Aber wieso Rauschen? Und wer war der Mann in ihrem Bett auf dieser Insel? Marianne hört das Ticken ihrer Armbanduhr, die am Nachttisch liegt. Wie lange es her ist, dass sie einensexuellen Traum hatte. Erst als sie diese Worte denkt, erinnert sie sich tatsächlich an das Geträumte. Das Rauschen aus dem Radio hat sich in ihrem Kopf festgesetzt, die Bewegung, die eine gemeinsame Bewegung ist, ein Stoßen vielleicht, könnte in eine Welle, die eine harte Welle ist,übergegangen sein. Ein Schlag eigentlich. Wie lange ist es her, dass sie mit Eric geschlafen hat? Sie zieht die Decke bis unters Kinn. Die dumpfen Schläge der Wellen, das betäubte Echo davon in ihrem Kopf. Wenn sie am Lautstärkeregler des Radioweckers dreht, kann sie das Rauschen zurückdrehen, aber es verschwindet nicht. Sie drückt den Knopf am Radio, sie schaltet die Nachttischlampe ein. Kurz knistert die Glühbirne, das Ticken der Uhr vergisst sie.
Draußen ist es dunkel, im Haus ist es still.
Bevor sie sich anzieht, sitzt sie ein paar Minuten auf dem Hocker im Badezimmer. Neben dem Wäschekorb liegt verschlungen eine Strumpfhose auf dem Fliesenboden, die ihre Mutter vergessen haben wird. Zwischen Mariannes Handtüchern hängt eines, knallgelb, das sie zur Schmutzwäsche gibt, auch die Strumpfhose lässt sie in den Wäschekorb fallen. Marianne geht ins andere Zimmer und stellt die Heizung ab. Die Bettwäsche liegt auf dem Fußboden, auf dem Sekretär stapeln sich Bücher, die in die Regale auf der Galerie gehören. Mariannes kleiner Fernsehapparat steht auf dem Nachtkästchen. Viel zu nahe, denkt sie, und dass das schädlich ist für die Augen. Sobald ihre Mutter Johanna das Elternhaus betritt, wird sie zum Kind, um das sich alle zu kümmern haben. Sie ist unersättlich, Marianne ist froh, dass sie abgereist ist. Sie ist froh und erleichtert, dass alle abgefahren sind. Wie meistens weiß sie nicht mehr, was sie vorhin im Radio gehört hat. Nach den Nachrichten Musik, ja, aber welche? Zuerst will sie Obstbäume veredeln, dann wird sie mit Lukas ins Einkaufszentrum fahren, um ihm Hosen und eine Winterjacke zu kaufen. Seine ist schäbig. Ihr Sohn wirkt so erwachsen, seit er studiert. Spätestens morgen ist auch er wieder weg.
Das Jahr ist vorüber