Kapitel 1
Das Erbe der Väter
Die letzten Frühlingsstürme tobten sichüber der Burg von Northcliff aus. Pechschwarze Wolken hingenüber dem nördlichen Meer, dochüberall brachen Lichtstrahlen hervor und ließen die Schaumkronen auf den Wellen in allen Farben des Regenbogens funkeln. Der Wind riss an Kaynes dunklen Haaren, als er an deröstlichen Mauer stand und dem Donnern der Wogen lauschte, die gegen die Klippen brandeten; eine ewige Schlacht von Wasser und Land. In seinem Inneren tobte einähnlicher Kampf. Eine schicksalhafte Zeit war angebrochen, denn morgen würde er zu den Geisterinseln aufbrechen und sich in wenigen Tagen, wenn der erste Sommermond aufgegangen war, dem Urteil der Drachen stellen. Lange hatte er seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag herbeigesehnt, doch jetzt, da es bald so weit war, fürchtete er ihn.
»Kayne! Ich suche dich bereits den halben Morgen«, riss ihn eine schrille Stimme aus seinenÜberlegungen.
Raschen Schrittes kam seine Mutter herbeigeeilt. Das lange Gewand aus blauer Seide mit den goldenen Borten wehte wild um Elysias auffallend schlanken Körper. Einige blonde Haarsträhnen, in denen sich seit geraumer Zeit auch zahlreiche weiße Haare gemogelt hatten, lösten sich aus den kunstvoll geschlungenen Zöpfen.
Voller Missbilligung verzog sich Elysias schmaler Mund, ihr Gesicht legte sich in Falten, wie sie so vor ihm stand, und wenngleich sie ihm nur bis zum Kinn reichte, trat Kayne einen Schritt zurück, als sie kopfschüttelnd an seinem Leinenhemd herumzupfte.
»Du hast dich nicht einmal umgezogen«, rügte sie ihn.»Dein Vater und seine…« Sie räusperte sich, und Kayne wusste genau, welche Worte sie sich verkniff:seine Brut.
»Nun gut, die Abordnung von der Nebelinsel wird sicher bald eintreffen.« Elysia schnaufte.»Und im Namen der Könige von Northcliff, rasier dir dieses fürchterliche Gestrüpp aus dem Gesicht!«
Kayne lächelte bitter.»Damit ich nicht aussehe wie Samukal?«
»Du bist Darians Sohn«, behauptete Elysia mal wieder im Brustton derÜberzeugung.»Und in wenigen Tagen werden wir das ganz Albany beweisen, Kayne!«
Die Frage, ob Kayne der Sohn von Darian, dem jüngsten Erben von Northcliff, war oder, durch eine heimtückische List eingefädelt, der Nachfahre des Zauberers Samukal, verfolgte Kayne schon sein ganzes Leben lang.
»Der Bart wird nichtsändern, Mutter«, knurrte Kayne.
»Dennoch müssen wir Kayas Gefolgsleuten nicht nochÖl ins Feuer gießen«, giftete Elysia.
Seit er denken konnte, herrschte zwischen Königin Kaya, Frau des verstorbenen Atorian von Northcliff, und seiner Mutter ein ständiger Streit.
»Mein Junge«, zärtlich strich sie ihmüber die Wange,»du wärst ein so guter König von Northcliff.«
Unwirsch schob er ihre Hand weg.»Ich werde niemals König von Northcliff sein! Toran ist Atorians Nachfahre. Außerdem könnte niemand mit magischen Fähigkeiten König der Menschen werden.«
Die Nasenflügel seiner Mutter blähten sich, dann zuckte sie mit einer Schulter.»Vieles kann sichändern. Bei den Elfen beispielsweise ist die Begabung zur Magie kein Hinderungsgrund. Außerdem ist T