3. Neger und Gespräche
Besuch im Krankenhaus:
Es gibt einen guten Grund dafür, dass ich kein Arzt geworden bin. Das viele Geld und das gesellschaftliche Ansehen haben mich noch am wenigsten geschreckt, auch eine unleserliche Sauklaue, wie man sie meist auf den Rezepten findet, hätte ich mit links hinbekommen, aber neben der Abinote stand vor allem ein Hindernis unüberwindbar zwischen mir und einem Medizinstudium: Ich mag keine Krankenhäuser.
Der Geruch von Desinfektionsmitteln gibt mir keinen Kick, und die meist kühle Atmosphäre bedrückt mich. Die Patienten wirken oft krank, und das Personal ist nicht halb so attraktiv wie in Emergency Room.
Deshalb bringe ich gerne bunte Blumen mit, um den Räumen zumindest etwas Farbe zu verleihen. Bei meinem letzten Besuch in der chirurgischen Station musste ich allerdings feststellen, dass ich mir den Strauß Sonnenblumen auch hätte sparen können. Mein Erscheinen allein genügte, um ein bisschen Kirmesstimmung zu verbreiten.
Die liebe Freundin, die ich aufsuchen wollte, Petra, hatte sich das Bein gebrochen, und zwar so unglücklich und spontan, dass sie es nicht hingekriegt hatte, vor dem Hinfallen noch in die private Krankenkasse zu wechseln. Sie weilte also in einem vollbelegtem Dreibettzimmer, und als ich durch die Tür trat, begrüßte sie mich mit leisem Schnarchen.
Meine gute Kinderstube verlangte natürlich, die Schlafende nicht zu wecken und stattdessen die übrigen, sowohl wachen als auch wachsamen Anwesenden zu begrüßen. Es handelte sich um zwei ältere Damen, die aufrecht wie zwei hungrige Vampire kurz nach Sonnenuntergang in ihren Betten saßen, sobald sie meiner gewahr wurden. Misstrauisch schauten sie in meine Richtung und würdigten mein »Guten Tag« mit keinem Wort. Sie tauschten Blicke – und begutachteten mich erneut.
Aufgrund meiner Kleidung – Jeans und Kapuzen-Shirt – schätzten sie blitzschnell ein, dass ich trotz meiner Service-Hautfarbe weder zum Personal gehörte noch essbar war. Große Enttäuschung, gepaart mit noch größerer Ratlosigkeit spiegelte sich hinter vier dicken Brillengläsern. In Ermangelung einer weißen Flagge winkte ich den Greisinnen mit dem Blumenstrauß zu, um mich auf diese Weise als harmloser Besucher auszuweisen.
Sie starrten mich weiter an, wortlos. Nun, ich erkenne ein gespanntes Publikum, wenn ich auf dem Präsentierteller stehe, also versuchte ich es mit einer lockeren Standarderöffnung: »Hallo, die Damen!«
Das Eis war gebrochen. Zwar sparten die Ladys mit Applaus, aber immerhin horchte die eine von ihnen mit lauter Stimme nach: »Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?« Mit jedem Wort, das sie sprach, schwoll ihre Stimme an, als sie bei »helfen« angelangt war, klang sie wie eine Sirene, und Petra wachte auf. Meine Freundin sah mich erschrocken an, ich zuckte hilflos mit den Schultern. Ich wusste auch nicht, weshalb ihre Zimmergenossin den Fliegeralarm imitierte.
War sie etwa sauer auf mich? Hätte ich ihr auch Blumen mitbringen sollen? Hätte ich mich mit einer solideren Entwarnung vorstellen sollen, etwa so: »Ich grüße Sie und versichere Ihnen, dass keine Gefahr von mir ausgeht. Ich möchte lediglich Ihre Zimmernachbarin besuchen.«
Aber mir wurde schnell klar, dass das Golden Girl nicht böse auf mich war. Sie sorgte sich schlicht, dass der Neger ihre Worte nicht verstehen könnte und bediente sich deshalb ihrer ganz eigenen Laut-Sprache.
Ebenfalls alarmiert, schaltete sich nun die andere Dame ein. Sie wollte beruhigen, was aber schon an ihrer fast ebenso schrillen Stimme scheiterte:
»Ich glaube, der Mann spricht unsere Sprache.«
Ich war erleichtert: Es schien sie nicht zu stören, dass ich im Raum war, während sie über mich sprach.
»Dem ist wohl so«, bestätigte ich, leicht pikiert über den fehlenden Respekt. »Mensch, der spricht ja richtig gut Deutsch«, bemerkte die Lautsprecherin, sah aber leider davon ab, mir zur Belohnung eine Erdnuss h