: Martin Luther
: Martin Luther Mystik und Freiheit des Christenmenschen. Textauswahl und Kommentar von Gerhard Wehr
: Edition Erdmann in der marixverlag GmbH
: 9783843802031
: 1
: CHF 7.90
:
: Christliche Religionen
: German
: 128
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Ich vermag nichts ohne Gott, und Gott will nichts ohne mich!' Martin Luther Martin Luther (1483 bis 1546), der Reformator und Bibelverdeutscher, ein Gründervater der deutschen Sprache auch ein christlicher Mystiker? Wie immer man diese Frage beantworten will, fest steht, dass die von ihm ausgegangene religiöse Erneuerung ohne wirkkräftige Impulse aus der deutschen Mystik und eigenes Erleben nicht zu denken ist. Ihm verdanken wir die Entdeckung der von ihm hoch eingeschätzten Theologia Deutsch. Die durch ihn proklamierte Freiheit des Christenmenschen ist aus inneren Erfahrungen erwachsen, die zugleich am Anfang des Protestantismus stehen. Es fehlen aber auch nicht kritische Töne, da Luther das innere Wort nie unter Preisgabe des an das Wort der Schrift gebundene äußere Wort gelten ließ. Aus dem umfangreichen Werk des Wittenberger Reformators hat Gerhard Wehr eine repräsentative Auswahl von Texten zusammengestellt und mit Erläuterungen erschlossen. Dazu gehören meditativ gehaltene Beiträge sowie Schriften zur christlichen Brautmystik, Texte aus Luthers Magnificat-Auslegung, aus seiner Freiheitsschrift und verwandten Abhandlungen.

Dr. theol. h.c. Gerhard Wehr, geb. 1931 in Schweinfurt/Main. Nach langjähriger Tätigkeit auf verschiedenen Feldern der Diakonie und der Erwachsenenbildung, zuletzt als Lehrbeauftragter an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Rummelsberg/Nürnberg, arbeitet er als freier Schriftsteller in Schwarzenbruck bei Nürnberg. Ein Großteil seiner Werke zur neueren Religions- und Geistesgeschichte ist in mehreren europäischen und asiatischen Sprachen verbreitet.

I. EINLEITUNG


1. MYSTIK IM PROTESTANTISMUS


War Martin Luther ein Mystiker? Wie passt sein von spektakulären Ereignissen begleiteter reformatorischer Durchbruch zu einer nach innen gekehrten Spiritualität und Frömmigkeit? Warum hat sich der Allgemeinheit die Tatsache nicht oder nur wenig vermittelt, dass das epochale Werk des Wittenberger Reformators aus mystischer Ergriffenheit hervorgewachsen ist? Denn längst weiß die Luther-Forschung von der Bedeutung, die die mittelalterliche Mystik für den Erfurter und Wittenberger Augustinermönch erlangt hatte. Mystische Schriften waren es, die auf den jungen Luther so großen Eindruck gemacht haben, dass er seine Freunde und reformatorisch gesinnten Anhänger darauf aufmerksam gemacht hat. Und seine Empfehlung hat gewirkt!

Wer sich nun nach Eigenart und Bedeutung der Mystik im Protestantismus erkundigt, stößt alsbald auf einen Widerspruch, der durch ein momentanes, seit einigen Jahrzehnten zu beobachtendes Mystikinteresse innerhalb wie außerhalb der Kirche kaum wettgemacht wird. Der Widerspruch besteht darin, dass mystische Erfahrung von vielen bald mit unklarer Schwärmerei, bald mit einer dem Wesen der Reformation widerstreitenden Geisteshaltung gleichgesetzt wird. Weit verbreitete Skepsis, Desinteresse oder generelle Ablehnung resultieren daraus, zumal hierbei auf prominente Theologen und Kirchenhistoriker verwiesen werden kann. Demzufolge ist zunächst mit einem ernüchternden Befund zu rechnen. Abgesehen davon differieren die Vorstellungen davon, was unter mystischer Frömmigkeit zu verstehen ist, erheblich. Mit bloßen Definitionen ist kaum gedient. Weiter führen biografische Porträts Kundiger sowie deren auf Erfahrung gestützte Lebenszeugnisse. Doch zuvor eine kritische Bemerkung:

Die evangelische Theologie und Kirche ist offenbar mit einer nicht unerheblichen Hypothek belastet, die nicht leicht zu tilgen sein dürfte. Lässt man die im Laufe der kirchengeschichtlichen Epochen zu Tage getretenen spirituell-mystischen Rinnsale außer Acht1, die es auch im Protestantismus immer gegeben hat, so handelt es sich um ein spirituelles Defizit, wenn nicht gar um ein ebensolches Vakuum. Es bes