Ich bin jetzt mit der Ausarbeitung der ersten Hälfte meines Aktes beschäftigt. Über die leidenden Stellen komme ich immer nur mit großem Zeitaufwand hinweg; ich kann da im guten Fall in einem Zuge nur sehr wenig fertigbringen. Die frischen, lebhaften, feurigen Partien gehen dann ungleich rascher vonstatten: So lebe ich auch bei der technischen Ausführung „leidvoll und freudvoll“ alles mit durch und hänge ganz vom Gegenstande ab. Dieser letzte Akt ist nun ein wahres Wechselfieber: tiefstes, unerhörtestes Leiden und Schmachten und dann unmittelbar unerhörtester Jubel und Juchzen. Weiß Gott, so ernst hat’s noch keiner mit der Sache genommen, und Semper hat recht. Das hat mich auch allerneuestens wieder gegen den Parzival gestimmt. Es ging mir kürzlich nämlich wieder auf, dass dies wieder eine grundböse Arbeit werden müsse. Genau betrachtet istAnfortas der Mittelpunkt und Hauptgegenstand. Das ist denn nun aber keine üble Geschichte das. Denken Sie um des Himmels willen, was da los ist! Mir wurde das plötzlich schrecklich klar: Es ist mein Tristan des dritten Aktes mit einer undenklichen Steigerung. Die Speerwunde, und wohl noch eine andre, im Herzen, kennt der Arme in seinen fürchterlichen Schmerzen keine andre Sehnsucht, als die zu sterben; dies höchste Labsal zu gewinnen, verlangt es ihn immer wieder nach dem Anblick des Grals, ob der ihm wenigstens die Wunden schlösse, denn alles andre ist ja unvermögend, nichts, nichts vermag zu helfen: Aber der Gral gibt ihm immer nur das eine wieder, eben dass ernicht sterben kann; gerade sein Anblick vermehrt aber nur seine Qualen, indem er ihnen noch Unsterblichkeit gibt. Der Gral ist nun, nachmeiner Auffassung, die Trinkschale des Abendmahles, in welcher Joseph von Arimathia das Blut des Heilands am Kreuze auffing. Welche furchtbare Bedeutung gewinnt nun hier das Verhältnis des Anfortas zu diesem Wunderkelch;er, mit derselben Wunde behaftet, die ihm der Speer eines Nebenbuhlers in einem leidenschaftlichen Liebesabenteuer geschlagen, er muss zu seiner einzigen Labung sich nach dem Segen des Blutes sehnen, das einst aus der gleichen Speerwunde des Heilands floss, als dieser, weltentsagend, welterlösend, weltleidend am Kreuze schmachtete! Blut um Blut, Wunde um Wunde – aber hier und dort, welche Kluft zwischen diesem Blute, dieser Wunde! Ganz hingerissen, ganz Anbetung, ganz Entzückung bei der