Vorrede
Wenn die Menschen alle ihre Angelegenheiten nach einem festen Plan zu besorgen vermöchten, oder wenn das Glück ihnen immer günstig wäre, so würden sie in keinem Aberglauben befangen sein. Allein oft geraten sie in Verlegenheiten, wo sie sich nicht zu raten wissen, und meist verlangen sie nach den ungewissen Glücksgütern so maßlos, dass sie jämmerlich zwischen Furcht und Hoffnung hin und herschwanken, und ihre Seele deshalb Alles zu glauben bereit ist. In solchen Zweifeln genügen schwache Gründe, um sie bald hier- bald dorthin schwanken zu lassen, und in höherem Maße geschieht dies, wenn sie zwischen Angst und Hoffnung eingeklemmt sind, während sie sonst zuversichtlich, prahlerisch und aufgeblasen sind.
Ich meine, dies weiss Jedermann, obgleich die Meisten schwerlich sich selbst kennen mögen. Denn wer unter den Menschen gelebt hat, weiss, wie im Glück selbst die Törichten sich so von Weisheit erfüllt halten, dass sie es übel nehmen, wenn man ihnen einen Rat geben will. Aber im Unglück wissen sie nicht, wohin sie sich wenden sollen. Dann flehen sie Jedweden um Rat an und folgen selbst den verkehrtesten, unsinnigsten und eitelsten Vorschlägen. Ebenso genügen die geringsten Umstände, um sie auf Besseres hoffen oder wieder Schlimmeres befürchten zu lassen. enn ihnen, während sie in Furcht sind, etwas begegnet, was sie an ein früheres Glück oder Unglück erinnert, so nehmen sie es für die Ankündigung eines guten oder übeln Ausganges der Sache, und wenn sie auch hundertmal betrogen worden sind, so nennen sie es doch eine gute oder schlimme Vorbedeutung. Sehen sie etwas Ungewöhnliches, so staunen sie und halten es für ein Wunderzeichen, was den Zorn der Götter oder des höchsten Wesens verkünde, und sowohl die Abergläubischen wie die Ungläubigen meinen, es sei Unrecht, wenn man sie deshalb nicht durch Opfer und Gelübde zu versöhnen suche. Sie erdichten in dieser Weise Unzähliges und erklären die Natur auf so wunderbare Weise, als wenn sie selbst mit ihnen toll geworden wäre.
Während sich dieses so verhält, sieht man, dass vor Allen Diejenigen am meisten allen Arten von Aberglauben zugetan sind, welche das Ungewisse unmässig begehren, und dass alle Menschen vorzüglich dann, wenn sie in Gefahr sind und sich nicht zu helfen wissen, mit Gelübden und weibischen Tränen die göttliche Hilfe erflehen und die Vernunft blind und die menschliche Weisheit eitel schelten, weil sie ihnen den Weg zur Erfüllung ihrer eitlen Wünsche nicht zeigen kann. Dagegen halten sie die Tollheiten, Träume und kindischen Einfälle ihrer Phantasie für göttliche Offenbarungen; sie meinen sogar, Gott hasse die Weisen und verkünde seine Beschlüsse nicht dem Geiste, sondern habe sie den Eingeweiden der Tiere eingeschrieben, und Toren, Wahnsinnige und Vögel verkündeten sie im göttlichen Anhauch und Instinkt. Zu solchem Wahnsinn treibt die Furcht den Menschen; die Ursache also, aus der der Aberglaube entspringt, durch die er er