Jonathan Swift und Charles Ford
Jonathan Swift (1667–1745) ist der Nachwelt vor allem als Autor von Gullivers Reisenin Erinnerung geblieben, eines der meist gelesenen Bücher der Welt. Die Erzählungen von Gullivers Expeditionen zu den Liliputanern und zu den Riesen von Borbdingnag sind heutzutage vor allem in gekürzter Fassung und als Jugendbücher bekannt. Eigentlich aber handelt es sich bei Gullivers Reisenum einen der größten satirischen Texte der Literaturgeschichte.
Swift war ein einzigartiger Satiriker, auch wenn er sich selbst in einem der unten stehenden Briefe genau dieses Talent abspricht. Einen Namen machte sich der gebürtige Ire im London des frühen 18. Jahrhunderts als politischer Journalist; am Anfang seiner Karriere stand er auf der Seite der liberalen Whigs, ab 1710 jedoch unterstützte er die konservativen Tories. Dies war auch der Grund dafür, dass Swift nach dem Tod von Königin Anne und dem Fall der Tories1714 nicht vom heimatlichen Dublin nach London zurückkehren konnte, das er seiner Geburtsstadt eigentlich bei Weitem vorzog. Swift gilt bei den Iren zwar heute noch als Nationalheld, weil er tatkräftig gegen die Unterdrückung seiner Landsleute durch die Engländer kämpfte; im Grunde jedoch verabscheute Swift Irland von ganzem Herzen (zumindest tat er so).
Überhaupt galt der Autor wie der Mensch Swift als ausgesprochener Misanthrop und Griesgram. Dem gegenüber stehen die tiefen Freundschaften, die ihn mit vielen der geistigen Größen seiner Zeit verbanden; an den klassizistischen Dichter und Verssatiriker Alexander Pope schrieb Swift einmal, dass er nur das »Tier Mensch« im Allgemeinen verachte, individuelle Exemplare der Spezies aber durchaus liebe.
Zu diesen geliebten Menschen gehörte Charles Ford (1682–1741), ein Grundbesitzer, der seine Zelte dauerhaft in London aufgeschlagen hatte. Ford war ein politischer Mitstreiter Swifts und fungierte oft als Mittelsmann zwischen dem exilierten Satiriker und den Druckern und Buchhändlern der Hauptstadt. Swift bewunderte Ford als einen wahren Gentleman, der sich durch Unabhängigkeit, Selbstbewusstsein, Bescheidenheit, Umgänglichkeit, Nonchalance und Geschäftstüchtigkeit auszeichnete – alles Qualitäten, die der Schriftsteller an sich selbst vermisste.
Im Laufe der Jahre wurde der ohnehin exzentrische Swift immer eigenbrötlerischer. Er litt sein Leben lang am Ménière-Syndrom, das sich bei ihm als Schwindel, akute Orientierungslosigkeit und temporäre Taubheit manifestierte. 1739 wurde der große Satiriker deswegen für geisteskrank erklärt.1
Swift an Ford
London, 8. März 1709
Ich habe mich kürzlich an einigen meiner Korrespondenten schuldig gemacht, und Du bist unter ihnen; ich kann diesen Umstand nur damit erklären, dass ich so wenig zu tun habe, und das nimmt all meine Zeit in Anspruch, da nämlich nichts so viel von derselben verschlingt wie Müßiggang.
Es soll mir mehr als fernliegen, den Versuch zu wagen, Dich davon zu überzeugen, dass Du nicht glücklich bist; ich kann mir nur nicht erklären, warum Du behauptest, Dein Glück hätte im Februar letzten Jahres seinen Anfang genommen: Dieser Zeitraum zeichnet sich weder dadurch aus, dass Du nach London gekommen bist, noch dadurch, dass Du London verlassen hast.
Ich bin der unumstößlichen Überzeugung, dass Du Dich inzwischen davon hast überzeugen können, dass ich weder bereits Ruhm und Ehre erlangt habe noch die Absicht habe, es in naher Zukunft zu tun: In meiner Partei ist man nämlich der Ansicht, dass mir die Kunst der Sorgfalt abgeht, wie sie jeder diskreten Person wohl ansteht.
Irgendwann diesen Sommer werde ich Dich sehr wahrscheinlich auf dem Weg zu meiner Residenz mit meiner Anwese