: Katharina Maier
: Große Briefe der Freundschaft 'Unsere Seelen sind ja auf dem Du-Fuß. Tausend Aller-Allerbestes Du!'
: Edition Erdmann in der marixverlag GmbH
: 9783843801966
: 1
: CHF 7.00
:
: Briefe, Tagebücher
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Lebe wohl und bleibe mir unwandelbar gewogen, wie ich auch Dich über Stock und Stein im Herzen zu tragen hoffe.' Gottfried Keller an seinen Studienfreund, den Maler Salomon Hegi Gute Freunde sind das vielleicht Wichtigste auf der Welt - und das war schon immer so. Goethe und Schiller, Friedrich der Große und Voltaire, Rilke und Rodin, Ludwig II. von Bayern und Wagner - immer wieder haben tiefe Freundschaften zwischen Künstlern, Politikern, Philosophen und anderen großen Männern unsere Geschichte und Kultur entscheidend mitgeprägt. Meist stiller, aber nicht weniger bedeutend, waren die Freundschaften großer Frauen wie Bettina von Arnim, Catharina Elisabeth Goethe, Cosima Wagner und Rosa Luxemburg zueinander oder zu berühmten Männern, die sich von ihnen inspirieren ließen. Die Höhen und Tiefen solcher großen Freundschaften haben in vergangenen Jahrhunderten Eingang in zahlreiche Briefe gefunden, die mal von tiefsten Gefühlen, mal von kleinen, rührenden oder auch witzigen Alltäglichkeiten berichten. Diese Freundschaftsbriefe geben uns Einblick in eine Welt, in der all die wunderbaren Seiten des Freunde-Seins inniger und dauerhafter Ausdruck fanden, als das in unserer flüchtigen, elektronischen Zeit oft üblich ist.

M.A. phil. Katharina Maier, geboren 1980, hat Vergleichende Literaturwissenschaften studiert und arbeitet inzwischen als freie Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie ist Herausgeberin weiterer erfolgreicher Titel aus dem marixverlag.

Jonathan Swift und Charles Ford


Jonathan Swift (1667–1745) ist der Nachwelt vor allem als Autor von Gullivers Reisenin Erinnerung geblieben, eines der meist gelesenen Bücher der Welt. Die Erzählungen von Gullivers Expeditionen zu den Liliputanern und zu den Riesen von Borbdingnag sind heutzutage vor allem in gekürzter Fassung und als Jugendbücher bekannt. Eigentlich aber handelt es sich bei Gullivers Reisenum einen der größten satirischen Texte der Literaturgeschichte.

Swift war ein einzigartiger Satiriker, auch wenn er sich selbst in einem der unten stehenden Briefe genau dieses Talent abspricht. Einen Namen machte sich der gebürtige Ire im London des frühen 18. Jahrhunderts als politischer Journalist; am Anfang seiner Karriere stand er auf der Seite der liberalen Whigs, ab 1710 jedoch unterstützte er die konservativen Tories. Dies war auch der Grund dafür, dass Swift nach dem Tod von Königin Anne und dem Fall der Tories1714 nicht vom heimatlichen Dublin nach London zurückkehren konnte, das er seiner Geburtsstadt eigentlich bei Weitem vorzog. Swift gilt bei den Iren zwar heute noch als Nationalheld, weil er tatkräftig gegen die Unterdrückung seiner Landsleute durch die Engländer kämpfte; im Grunde jedoch verabscheute Swift Irland von ganzem Herzen (zumindest tat er so).

Überhaupt galt der Autor wie der Mensch Swift als ausgesprochener Misanthrop und Griesgram. Dem gegenüber stehen die tiefen Freundschaften, die ihn mit vielen der geistigen Größen seiner Zeit verbanden; an den klassizistischen Dichter und Verssatiriker Alexander Pope schrieb Swift einmal, dass er nur das »Tier Mensch« im Allgemeinen verachte, individuelle Exemplare der Spezies aber durchaus liebe.

Zu diesen geliebten Menschen gehörte Charles Ford (1682–1741), ein Grundbesitzer, der seine Zelte dauerhaft in London aufgeschlagen hatte. Ford war ein politischer Mitstreiter Swifts und fungierte oft als Mittelsmann zwischen dem exilierten Satiriker und den Druckern und Buchhändlern der Hauptstadt. Swift bewunderte Ford als einen wahren Gentleman, der sich durch Unabhängigkeit, Selbstbewusstsein, Bescheidenheit, Umgänglichkeit, Nonchalance und Geschäftstüchtigkeit auszeichnete – alles Qualitäten, die der Schriftsteller an sich selbst vermisste.

Im Laufe der Jahre wurde der ohnehin exzentrische Swift immer eigenbrötlerischer. Er litt sein Leben lang am Ménière-Syndrom, das sich bei ihm als Schwindel, akute Orientierungslosigkeit und temporäre Taubheit manifestierte. 1739 wurde der große Satiriker deswegen für geisteskrank erklärt.1

Swift an Ford


London, 8. März 1709

Ich habe mich kürzlich an einigen meiner Korrespondenten schuldig gemacht, und Du bist unter ihnen; ich kann diesen Umstand nur damit erklären, dass ich so wenig zu tun habe, und das nimmt all meine Zeit in Anspruch, da nämlich nichts so viel von derselben verschlingt wie Müßiggang.

Es soll mir mehr als fernliegen, den Versuch zu wagen, Dich davon zu überzeugen, dass Du nicht glücklich bist; ich kann mir nur nicht erklären, warum Du behauptest, Dein Glück hätte im Februar letzten Jahres seinen Anfang genommen: Dieser Zeitraum zeichnet sich weder dadurch aus, dass Du nach London gekommen bist, noch dadurch, dass Du London verlassen hast.

Ich bin der unumstößlichen Überzeugung, dass Du Dich inzwischen davon hast überzeugen können, dass ich weder bereits Ruhm und Ehre erlangt habe noch die Absicht habe, es in naher Zukunft zu tun: In meiner Partei ist man nämlich der Ansicht, dass mir die Kunst der Sorgfalt abgeht, wie sie jeder diskreten Person wohl ansteht.

Irgendwann diesen Sommer werde ich Dich sehr wahrscheinlich auf dem Weg zu meiner Residenz mit meiner Anwese