: Renate Pitz
: Die Partykuh
: BLV Buchverlag
: 9783784390031
: 1
: CHF 8.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 224
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Jungbauer Karsten hat Probleme. Der Milchpreis ist im Keller, sein Vater sträubt sich gegen Neuerungen im Betrieb und seine Mutter liegt ihm ständig mit ihrem Wunsch nach einer Schwiegertochter und Enkelkindern in den Ohren. Als seine Kühe zu allem Überfluss in den Milchstreik treten, ist guter Rat teuer. Wird Karsten seinen Milchviehbetrieb vor dem Ruin retten können? Gelingt es ihm, seine neuen Ideen trotz aller Schwierigkeiten in die Tat umzusetzen und noch dazu das Herz der Marketing-Assistentin Emily zu erobern? Welche Rolle Kylie, Britney, Madonna und die Kuh Elsa dabei spielen und wie der neue Lehrling Frederik ungeahnte Talente im Umgang mit dem störrischen Milchvieh entwickelt, lesen Sie in diesem heiteren, mit viel Situationskomik und vergnüglichen Einblicken in den Alltag eines Familienbetriebes gewürzten Roman.

Eine neue Idee


„Wir brauchen neue Ideen, Innovationen und den nötigen Optimismus dafür“, versuchte Karsten seinem Vater unter Zuhilfenahme beider Hände klarzumachen. Dabei rückte er sich die Stallkappe zurecht und bohrte den rechten Gummistiefel tief in die Maissilage hinein. Nicht gerade wie der geborene Unternehmensberater, dafür aber mit Schwung und Begeisterung. Der Motor der Melkmaschine lief bereits brummend und gut siebzig Milchkühe muhten gegen das Motorengeräusch an. Hermann Kuhn wischte die Worte seines Sohnes mit einer unwirschen Handbewegung beiseite, so, als wolle er eine lästige Schmeißfliege verjagen, und zeigte mit dem rechten Arm hinüber zum Melkstand.

„Ich mach jetzt auf. Die Kühe wollen gemolken werden, und wir müssen anfangen“, rief er gegen den steigenden Geräuschpegel im Stall an. Das Protestgemuhe wurde lauter. Die Schwarzbunten wollten endlich ihre Milch loswerden. Als Hermann Kuhn seinem Sohn ohne weiteren Kommentar den Rücken zuwandte, schüttelte dieser nur erbost den Kopf und trat wütend in einen Haufen Maissilage hinein, dass die Fetzen bis auf seine Stallkappe hinaufflogen. Typisch Papa, dachte er, geht jeder Diskussion dezent aus dem Weg. Dann machte sich Karsten widerwillig an die Arbeit.

Beim gemeinsamen Abendbrot wagte er aber einen erneuten Vorstoß, obwohl seine Mutter jetzt auch anwesend war und ihm bestimmt in den Rücken fallen würde. Damit rechnete er jedenfalls, weil es eigentlich immer so war. Elisabeth Kuhn war genauso konservativ wie ihr Mann – insbesondere was die Landwirtschaft anbelangte. Inzwischen machte es Karstenüberhaupt keinen Spaß mehr, mit den beidenüber Probleme zu reden. Ein Gedankenaustausch wurde sowieso immer im Keim erstickt. Das hatte er nun wirklich oft genug erlebt. Aber egal. Heute Abend musste Karsten es sich einfach wieder geben. Seine Laune war ohnehin schon auf dem Tiefpunkt. Viel schlimmer konnte es also gar nicht mehr kommen. Nach dem Duschen hatte er sich in seinen grauen Jogginganzug geworfen und auf der hölzernen Eckbank Platz genommen. Hermann Kuhn saß schon am Tisch, seinem Sohn gegenüber. Während Elisabeth den beiden Männern Tee eingoss, räusperte sich ihr längst erwachsener Sohn und blickte dabei von einem Elternteil zum anderen. Innerlich seufzte er bereits schicksalsergeben. Aber es half nichts. Er musste jetzt einfach loslegen.

„Ich muss mal mit euchüber die Zukunft reden“, begann er zielstrebig. Dabei blickte er seiner Mutter tief in die Augen, was sich als riesengroßer Fehler herausstellte.„Hast du eine Freundin?“, fragte Frau Kuhn verblüfft. Beim Thema„Zukunft“ dachte sie immer um die Ecke und auf alle Fälle ans Standesamt. Na bravo, dachte Karsten genervt und ließ seinen Kopf kurz auf die Tischplatte sinken, bevor er ihn zurück in die Ausgangsstellung brachte.

„Das ist ein gutes Thema, Elisabeth“, brachte es sein Vater wurstbrotkauend auf den Punkt. Schwups, ehe er sich versah, hatten seine Eltern sich schon wieder gegen ihn solidarisiert. Papa hätte auch sagen können:„Junge, eine Frau muss her, egal wie! Und wenn wir dir eine backen müssen!“ Karsten sah schon alle seine Felle davonschwimmen. Passend zur Stimmung steckte er sich eins der sauren Gürkchen in den Mund, um es frustriert und ohne weitere Kautätigkeit hinunterzuschlingen.„Ob mit oder ohne Frau“, begann er und gestikulierte mit beiden Armen. Das tat er immer, wenn er aufgeregt war.„Das ist doch erst mal egal!“

„Egal ist ein Handkäs’! Eine Bäuerin ist von herausragender Bedeutung für die Zukunft unserer Landwirtschaft“, sagte Hermann Kuhn mit bedächtiger Miene und wackelte mit dem Kopf. Und Karstens Mutter nickte zustimmend. Bis vor einem halben Jahr noch hatte sie täglich bei der Stallarbeit mit anpacken können. Doch nun war sie an Diabetes erkrankt und der Arzt hatte sie in Rente geschickt. Ihr Sohn seufzte, ließ sich aber nicht unterkriegen. Er beschloss spontan, auf sein Singledasein nicht näher einzugehen, auch wenn er damit wohl kaum durchkommen würde. Einen Versuch war es immerhin wert. Denn auch er dachte an die Zukunft. Seit sie den Milchviehstall und die Maschinenhalle ausgelagert und gut eineinhalb Kilometer vom Hof entfernt neu gebaut hatten, drückte ihn die Schuldenlast.

„Wir brauchen Geld, um die Kredite für den Stallneubau möglichst bald tilgen zu können“, setzte Karsten ernst an.„Aber leider ist der Milchpreis immer noch viel zu niedrig. So schaffen wir’s nicht. Wir brauchen zusätzliche Einnahmequellen.“ Karsten redete wie ein Politiker. Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, klopfte er mit der flachen Hand auf den Küchentisch. Sein Vater Hermann hatte mittlerweile das ganze Wurstbrot verdrückt. J