BRIEFE AN MEINE MUTTER
Den 7. December.
Liebe Mutter!
Ich bin glücklich angekommen und befinde mich wohl, aber dabei ist es mir recht einsam und– ich schäme mich nicht, es zu gestehen– recht bange. Du weißt ja, daß ich den Soldatenrock angezogen habe, um in dem Lande, dessen Bürger ich bin, einen Beruf zu erfüllen, nicht aber, um den Helden zu spielen. Ich habe Heimweh und ein heftiges, tiefes Heimweh nach Dir, aber auch nach jedem alten Möbel, nach jedem halbdunklen Winkel, nach meiner schwarzen Katze, ja sogar nach dem Vater, der mir immer streng und fremd gegenüber gestanden ist. Ich bin eben das erstemal vom Hause fort. Meine Wohnung ist freundlich und bequem eingerichtet, ich habe auch bereits dem Obersten meine Aufwartung und meinen Kameraden Besuche gemacht; der Oberst war ziemlich kühl, die Officiere behandeln mich mit einer beleidigenden Artigkeit. Man läßt es mich fühlen, daß ich mit dem goldenen Porte-épée* in das Regiment kam.
So sitze ich denn Abends allein an dem warmen Ofen, mein Bursch kocht mir das Wasser zum Thee, und ich hänge meinen Gedanken nach und dies sind meine glücklichsten Stunden, denn dann bin ich bei Dir in unserem lieben Hause. Ich brauche nur die Augen zu schließen, und Alles steht lebhaft vor mir. Es ist fünf Uhr, die Stunde, wo wir in Deinem Zimmer den Kaffee nahmen. Anna deckt schon den großen runden Tisch mit dem gelben geblumten Tuch, und Marcin klappert mit den Tassen; ich höre Deine sanfte Stimme– ich höre Alfred und Roman, wie sie die gute Anna necken, sie die heilige Lichtscheere nennen und sie ganz zornig wird. Ich weiß nicht, aber ich kann in diesem Augenblicke wederüber ihre vielen Heiligenbilder nochüber ihren Myrthenkranz oder ihre Schwärmerei für den Pater Seraphikus* lachen, nicht einmalüber den Jungfrauenverein. Marcin sogar in seiner komischen Leidenschaft für die Gouvernante erscheint mir als eine Naturnothwendigkeit, es würde dem alten Hause etwas fehlen, wenn er nicht während dem Serviren die Augen verdrehen und seufzen und während er den Boden wichst und auf seinen Bürsten tanzt, französisch lernen würde. Was macht der Adam, der herrliche Adam, den ich schon als Kind so liebte, der mich allein außer meiner Amme auf dem Arm haben durfte und den ich trotz seinem Stallgeruch, seinen ungewaschenen Händen und seinem von Branntwein rothlackierten Gesicht den schönen Ada nannte. Aber ich thue ihm Unrecht, er hat doch einmal seine Hände gewaschen und das war an dem Tage, wo er, zwei rothe Nelken im Knopfloch, um die Rosalie anhielt. Ob er sie am Hochzeitstage auch gewaschen, weiß ich nicht. Und Rosalie, was macht sie, die gute Seele hat manche Thräne in den letztenÄpfelstrudel hineingebacken, den sie mir gemacht hat. Aber ich spreche da von den Dienstleuten und vergesse–
Aber meine Brüder wissen ja wie ich sie liebe, sie meine besten Freunde, haben sie seitdem viele Schlachten geliefert, wer commandirt die französische Armee, seitdem ich fort bin. Sie werden vielleicht den Napoleon suchen und bei den Grenadieren werden ihnen vier Mann im Gliede fehlen und einer bei den Voltigeurs* der Garde und– ich kann es ihnen ja so nicht verheimlichen, auch bei den Uhlanen* einer– sie werden böse sein– aber sage ihnen, daß es mir schwer war, mich von meinen papiernen Soldaten zu trennen und daß ich diese wenigen mitgenommen habe und daß sie jetzt auf meinem Tische stehen zw