Wie sich (Alb-)Träume im Laufe unseres Lebens verändern
Bereits ab dem ersten Tag unseres Lebens schlafen wir… und damit meine ich nicht nur, ab dem ersten Tag nach der Geburt! Schon im Mutterleib schlafen wir, doch nur weil der Schlaf unser treuester Begleiter ist, heißt das nicht, dass er eine Konstante ist. Kinder haben meistens einen ganz anderen Schlafrhythmus als Erwachsene, das wissen alle Eltern. Teenager sind ständigübermüdet und würden am liebsten das Wochenende im Bett verbringen, natürlich erst, wenn die Party vorbei ist. Dafür kursiert das Gerücht, dass man im hohen Alter weniger Schlaf braucht undöfters in der Nacht wach wird.
Wie sieht es dann mit den Träumen aus, wie mit den Albträumen? Wenn das Leben sich wandelt, wenn der Schlaf sich wandelt, dann leuchtet es ein, dass die Welt der Träume dies ebenfalls tut. Wie sieht es aus mit Menschen, die als Kinder bereits an Albträumen litten? Werden sie ein Leben lang mit unerwünschten nächtlichen Bildern zu kämpfen haben?
Ich möchte in diesem Kapitel darauf eingehen, wie sich Träume und Albträume im Laufe des Lebens wandeln, aber auch darauf, wie unterschiedlich sich Albträume auswirken können, je nachdem, wann sie beginnen und warum sie es tun.
REM-Schlaf-Entwicklung
Wir schlafen im Mutterleib, und zwar die meiste Zeit, doch nicht nur das: Wir erleben bereits REM-Schlaf, noch vor unserer Geburt. Eine Studie belegt, dass ein sieben Monate alter Fötus bereits Augenbewegungen zeigt, die auf REM-Schlaf hindeuten. Gleich nach der Geburt verbringen Babys 80% des Schlafes in der REM-Phase. Es ist noch nicht erforscht, wovon ein Fötus träumt– und dass eine solche Forschungüberhaupt jemals im Bereich des Möglichen sein wird, ist eher unwahrscheinlich. Bilder kann das ungeborene Kind eigentlich noch keine haben, denn es hat ja von der Welt noch nichts gesehen. Wovon träumt dann ein Fötus? Womöglich erinnert er sich ja an vergangene Leben, und diese verschwinden nach der Geburt aus seinem Gedächtnis? Vielleicht aber steht das Kind in Verbindung mit seiner Mutter und seine Träume sind von den Bildern geprägt, die sie in ihren Gedanken hat? Eine andere Möglichkeit wäre, dass diese REM-Schlafphase ungeborener Babys ganz anders gestaltet ist und dass sie nicht dem Träumen dient, sondern der Entwicklung des Gehirns. Es ist alles Spekulation, und das wird es zumindest vorerst bleiben. Das Leben und unser Ursprung sind in mancherlei Hinsicht auch heute noch das Mysterium schlechthin.
Die Wissenschaft tut sich derweil leichter damit herauszufinden, was nach der Geburt passiert. Danach erfahren Kleinkinder und Kinder im Allgemeinen viel mehr REM-Schlaf als Erwachsene oder garältere Menschen. Bei den Träumen von Neugeborenen und Kleinkindern sind wir natürlich nach wie vor auf Spekulationen angewiesen, was die Inhalte betrifft. Ich vermute, dass sich unsere Wahrnehmung ausbilden muss und dass die REM-Schlafphasen dazu dienen, das neu Erlebte und Erfühlte zu verarbeiten. Im Traum bildet sich, soweit wir das heute wissen, vor allem das sogenannte prozedurale Gedächtnis aus– will sagen, wir lernen Bewegungsabläufe und Prozesse, die später teilweise automatisch ablaufen. Ein Baby hat viele Sinneseindrücke zu verarbeiten, eine ganze neue Welt zu entdecken. Das muss schnell geschehen, denn schon bald wird es sich als Kind in dieser Welt zurechtfinden müssen. Das würde diese lange REM-Schlafphase gut begründen.
Ungeklärt ist natürlich, ob ein Fötus auch Albträume erlebt. Ist das Baby erst»geschlüpft«, erlebt es, frei nach Sigmund Freud, eine primärprozesshafte Welt, eine Welt, die– wie der Meister meint– den Träumen sehrähnlich ist. Laut Freud ist diese Welt von Gefühlen/Affekten und Bildern geprägt, unlogisch und frei assoziativ. Gerald M. Edelman, ein Bewusstseinsforscher aus den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts, bezeichnet diese Form des angenommenen Erlebens als die»Welt des primären Bewusstseins«.
Das Baby dürfte jedenfalls ohnehin noch nicht zwischen sich und vor allem der Mutter, aber auch anderen und anderem unterscheiden, aber es dürfte auch noch keine Unterschiede zwischen Traum und Wirklichkeit kennen. In einer unserer Studien, durchgeführt von Mag. Martina Ranner, hat sich gezeigt, dass Kinder erst etwa ab dem zweiten, dritten Lebensjahr die Identifikation von Realitäten lernen. Kleine Kinder können erst etwa ab dem zweiten Lebensjahr sich selber im Spiegel erkennen, und das dürfte etwa auch die Zeit sein, wo wir beginnen, die Realität als Realität zu identifizieren, denn bis dahin unterscheiden wir nicht zwischen Geschichten, Witzen, Träumen und der sogenannten wirklichen Welt. Dies ist die Phase, da Kinder besonders gefährdet sind, ein Trauma der Eltern als ein eigenes anzusehen und daraus eine Störung zu entwickeln. Mehr dazu im Kapitelüber die Traumaträume.
Diese Fähigkeit, Realität effektiv abzugrenzen, dürfte sich erst mit dem Beginn des Planens und des Reflektierens entwi