: Brigitte Münch, Geli Ammann, Iris Clas, Petra Friedel, Lilly Friedstein, Bettina Hackelsperger, Anne
: Edit Engelmann
: Das Größenwahn Märchenbuch Band 1
: Größenwahn Verlag
: 9783942223485
: Das Größenwahn Märchenbuch
: 1
: CHF 8.90
:
: Märchen, Sagen, Legenden
: German
: 120
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Im Dezember 1812 erschien das erste Märchenbuch der Gebrüder Grimm. 200 Jahre später fragte sich der Größenwahn Verlag, was wohl aus den Märchenfiguren geworden wäre, lebten sie noch heute. Daraus entstand die Idee, einen Wettbewerb auszuschreiben und auf die Suche nach neuen Märchen zu gehen. Welche Geschichten würden Autoren von heute erfinden? Wie sieht ein neues, modernes Märchen unserer Zeit aus? Die besten Märchen des Wettbewerbs sind in diesem Buch gesammelt und zeugen von wundersamen Begebenheiten, von Königen, Weisen und Feen, Zauberern und Hexen, verwunschenen Tieren, und von kleinen und großen Menschen, die zu Helden aufsteigen. Es werden alle bekannten Register gezogen und alle Regeln verletzt, natürliche und übernatürliche Kräfte müssen her, Zaubersprüche werden neu formuliert und magische Suppen gekocht. Tage und Nächte werden vergehen, Schwierigkeiten überstanden, Rätsel gelöst, um am Ende das Gute als Sieger zu küren. Die Jury bestand aus dem Märchen- und Grimmexperten Prof. Dr. Heinz Rölleke, Dr. Hanna Dose (Leiterin des Märchenmuseums Bad Oeynhausen), Heike Ließmann (Programm-Redakteurin beim hr2 Radio Kultur), Ute Petkakis (Leiterin der Bibliothek des Goethe Instituts in Thessaloniki), Hans-Jürgen Heine (Mitbegründer des Café Größenwahn), Edit Engelmann (Lektorin beim Größenwahn Verlag) und Sevastos P. Sampsounis (Verleger, Größenwahn Verlag). Es war nicht immer leicht eine Entscheidung zu treffen, aber schlussendlich hat sich die Jury für genau diese Märchen aus den zahlreichen Einsendungen entschieden, weil hier die Fantasie der Autoren lebendig, eigenartig, einzigartig und 'märchenhaft' war.

Edit Engelmann, 1957 in der Nähe von Kassel geb. Marketingstudium, ist Mutter, Autorin, Herausgeberin, Lektorin und Leiterin der Reihe 'Es war einmal ...' beim Größenwahn Verlag. Geli Ammann, geboren 1956, ist Mitglied der Literatur-Community im Internet ?mySTORYs?. Iris Clas, geboren 1953 in einem Dorf bei Stuttgart, lebt in Esslingen und arbeitet als kaufmännische Angestellte in einem Dienstleistungsunternehmen.&# 3; Petra Friedel, 1963 in Halle an der Saale geboren, erlernte den Beruf der Gärtnerin und schloss 1995 eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation ab. Lilly Friedstein, 1976 in Berlin geboren, wuchs im Westen der Stadt auf. Sie studierte Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und jobbte bei Zeitungen und TV-Sendern. Wumbas langer Weg Bettina Hackelsperger, ist 1964 in Kelheim/Niederbayern geboren. Sie studierte Religionspädagogik an der Hochschule in München und machte eine Ausbildung bei der Goldmund Erzählakademie e. V. Brigitte Münch, wurde 1947 in Düsseldorf geboren. Sie ist gelernte Buchhändlerin und arbeitete viele Jahre in Buchhandlungen und Verlagen. Anne D. Plau, ist 1978 in Jena geboren, ist Ärztin, Mutter und Mitglied von WortWerk Erlangen. Wilfried von Manstein, arbeitete als Tellerwäscher, Taxifahrer, Parkwächter, Gärtnergehilfe, Filmkritiker, Kellner, Maler, Regieassistent, Schauspieler, Marktforscher, Seminarleiter und ist zur See gefahren. Britta Voß, wurde 1979 in Bremen geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1998 verschlug es sie nach Göttingen zum Studium der Deutschen Philologie sowie der Mittleren und Neueren Geschichte, das sie 2004 mit dem Magister Artium abschloss. Philipp Schmidt, 1982 in Breisach am Rhein geboren, ist häufig umgezogen, war viel auf Reisen, vor allem in Südostasien, und hat in Tübingen Philosophie und Germanistik studiert, wo er heute mit Frau und zweijährigem Sohn lebt. Franziska Johanna Schrörs, wurde 1987 in Wuppertal geboren. Sie wuchs zwischen dem Bergischen und dem Rheinland auf. Andrew B. Theben, geboren 1957, als unehelicher Sohn von Ada und Jussuf von Theben, im hessischen Marburg.

DIE OFFENE RECHNUNG


Philipp Schmidt


Die Hexe rieb sich müde die Augen. Sie reckte und streckte die Glieder. Ihr verschlafener, vom grauen Star getrübter Blick glitt durch die Stube. Die Kochstelle war unaufgeräumt,überall ungewaschene Töpfe, Bratpfannen und Schöpfkellen, offene Tinkturen und liegengebliebene Zutaten, welche einen beißenden Geruch verströmten. Die kleine Essgruppe in der Nische befand sich in einem vergleichbaren Zustand. Ihr Rabe auf der Stangeöffnete geräuschlos seinen Schnabel. Sie besah den leeren, offenstehenden Stall und das gähnende Loch des Ofenrohres daneben. Beim Anblick des Ofens und der damit einhergehenden Erinnerung schüttelte sie ein heftiger Hustenanfall.

»Diese verfluchten Bälger«, sagte sie heiser zu sich selbst, als der Husten allmählich abklang. Sie hatten sie an der langen, krummen Nase herumgeführt und ihr richtigübel mitgespielt.

Dass man Hexen mit Feuer töten könne, war nichts als ein altes Märchen, welches die Hexen selbst in die Welt gesetzt hatten. Nichtsdestotrotz war ihre eigene Bekanntschaft mit den Flammen eine grauenvoll schmerzhafte Erfahrung gewesen– seither wurde die Hexe von Panikattacken und Zwangsvorstellungen verfolgt. Und wer weiß, wie lange die lodernde Glut sie noch gequält hätte, wäre nicht der Vater jener verfluchten Kinder vorbeigekommen, um nachzusehen, ob sie, die Hexe, ihren Teil des Abkommens erfüllt hatte. Wie enttäuscht war der gute Mann gewesen, als er erfahren musste, dass seine nichtsnutzigen Sprösslinge entkommen waren.

Der Vater hatte sie seinerzeit um einen weiteren Versuch gebeten, doch sie hatte abgelehnt - zwar zähneknirschend, denn nichts ist für eine Hexe demütigender, als ein Scheitern einzugestehen. Jedoch, sie wollte diesen kleinen heimtückischen Biestern niemals wieder begegnen. Sollte der Vater sich mit seiner Brut selbst herumschlagen. Immerhin hatte sie ihn an die Adresse eines stets hungrigen Wolfes verweisen können. Aber nach allem, was die Raben so krähten, machte auch Isegrim gerade eine bittere Zeit durch, nachdem ihm so ein Gutmensch-Glücksritter den Bauch aufgeschlitzt hatte, um einem Mädchen zu imponieren.

Der alte, geschundene Rücken knackte bedenklich, als die Hexe sich aus dem Bett hievte. Sie tastete nach ihrem Stab und zog sich an ihm hoch. Nach zwei unsicheren Schritten blieb sie stehen. Ihr schwindelte, die Hand am Knauf des Stabes zitterte.

»Beruhige dich, die Kinder sind längstüber alle Berge und können dir nichts mehr anhaben«, rezitierte sie im Geist ihr Mantra, während sie sich den Weg zur Kochstelle freikämpfte. Dort lagen ihre Beruhigungsplätzchen: destillierter Fledermauskot, vermengt mit Kröteneiern, Spinnenbeinen, Mehl, einer Prise Zucker und Teufelshefe - bitter und modrig am Gaumen, aber das einzige, was ihren Nerven half. Sie spülte die trockenen Brocken mit ihrem letzten Vorrat an Jungferntränen hinunter und wartete auf die Wirkung.

Sie musste nicht lange harren. Bald schon fand sie sich in ihrem Lieblingstraum wieder. Jung und vital tanzte sie auf dem Blocksberg. Sie war bei weitem nicht die Schönste, aber ihr Reigen war der wildeste, und so winkte der Bocksbeinige sie zu sich. Verführerisch lächelte sie ihm zu ...

»Aufmachen«, verlangte er und seine Hörner wippten im Takt der Trommel.

Sie verstand nicht.»Was? Wer? Wie? Wo?«

»Aufmachen!« Es hämmerte gegen die Türe.

Sie musste ohnmächtig geworden und gestürzt sein. Mühsam raffte sie sich vom Boden auf und sah durch das schmierige Guckloch. Ein in die Jahre gekommener, aber immer noch stattlicher Mann stand da auf ihrer Schwelle. Grüne Jägerstracht, Federhut, roter Ziegenbart. Sie kannte ihn, sie kannte ihn nur zu gut. Wenn man mit dem Teufel spricht ...

Sie hatte nicht vor, ihn einzulassen. Das Hämmern gab er bald auf. Den nächsten Hustenanfall unterdrückend, harrte sie geräuschlos aus, bis sie hörte, wie sich seine Schritte auf der knarzenden Veranda entfernten. Geschafft! - doch sie wusste, er würde wieder kommen und keine Ruhe geben, ehe die zwischen ihnen offene Rechnung nicht beglichen war. Zwei Seelen pro Jahr, so lautete der Pakt. Und sie war fünf im Rückstand, sechs, wenn er den greisen Schafhirten vom nächstgelegenen Weiler nicht gelten lassen wollte. Diesen hatte sie zwar ordnungsgemäß erdrosselt, aber er hätte ohnehin in dieser Nacht das Zeitliche gesegnet.

Sie musste sich etwas einfallen lassen. Unter Aufbietung ihrer gesamten Kräfte brühte sie eine Kanne Sumpfdottertee auf, schenkte sich eine Tasse ein und rückte den bequemen Sessel an das niedrige Tischlein in der Ecke. Seufzend ließ die Hexe sich nieder.

Sie zog das schmutzige Tuch von ihrer magischen Kugel, sprach die alte Formel und wartete. Der kalte Stein wurde zuerst milchig weiß, dann zogen bläuliche Schwaden vorüber, zuletzt sah sie, was sie zu sehen erbeten hatte: Die Geschwister Hänsel und Gretel, die einzigen Todeskandidaten, die ihr jemals entkommen waren. Mit Aha- und Oho-Lauten verfolgte sie den Werdegang ihrer beiden Widersacher. Die kesse Gretel war zu einemüppigen Fräulein herangewachsen, hatte den reichen Müllerssohn gewiss nicht aus Liebe geheiratet und verstand sich auf nichts anderes, als ihm jedes Jahr ein neues Kind zu werfen. Der breitschultrige Hänsel war wie alle Nichtsnutze und Tunichtgute beim Militär gelandet. Gerade jedoch befand er sich auf Heimaturlaub bei seiner Schwester. Gemeinsam saßen sie in der Müllerstube und unterhielten sich.

»Zauberkugel, Weltentor,

lausche eifrig, sei mein Ohr.«

Und tatsächlich: Kaum hatte die Hexe die Worte gemurmelt, als auch schon die ersten Gesprächfetzen aus der Kugel zu ihr drangen:

»Ich habe vernommen, unsere alte Freundin, die Hexe, ist noch am Leben, sie soll letzten Herbst einem Hirten den Hals umgedreht haben.«

»Wirklich?«

»So sagt man.«

»Dann wollen wir ihr doch einen Besuch abstatten ...«

Die Hexe verschluckte sich; das restliche G