: Dirk Hempel
: Die Manns Der>Zauberer< und seine Familie
: Verlag Friedrich Pustet
: 9783791760032
: kleine bayerische biografien
: 1
: CHF 12.60
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 144
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Thomas Mann und seine Familie - Mutter und Ehefrau, Geschwister wie Kinder - haben einen Großteil ihres Lebens in Bayern verbracht. Doch das Verhältnis zu ihrer Umgebung war spannungsreich, von Anziehung und Abneigung gleichermaßen geprägt. Die Schwestern verzweifelten, der Nobelpreisträger kam in München zu Ruhm und Ehren, musste 1933 jedoch emigrieren, seine Kinder Klaus und Erika flohen schon früh hinaus in die Welt. Diese Biografie erzählt die spannende, abwechslungsreiche und bewegte Geschichte der Manns, dieser 'sonderbaren Familie' (Klaus Mann).

Dirk Hempel, Dr. phil., geb. 1965, studierte Germanistik und Theaterwissenschaft. Er ist Privatdozent an der Universität Hamburg und arbeitet als Autor und Kurator

2  Ankunft in München


Von Lübeck nach Bayern


Thomas Mann kam Ende März 1894 nach München. Er war 18 Jahre alt und hatte das Gymnasium in seiner Heimatstadt Lübeck nach dreimaligem Sitzenbleiben in der Obersekunda vorzeitig verlassen. »Ein verkommener Gymnasiast«, wie er später schrieb, der »faul, verstockt und voll liederlichen Hohns über das Ganze« die Jahre abgesessen hatte. Einen, seinen Abschied aus der »engen Vaterstadt« verarbeitete er neun Jahre später in der Erzählung »Tonio Kröger« (1903): »Und er verließ die winklige Heimatstadt, um deren Giebel der feuchte Wind pfiff, verließ den Springbunnen und den alten Walnußbaum im Garten, die Vertrauten seiner Jugend, verließ auch das Meer, das er so sehr liebte, und empfand keinen Schmerz dabei. Denn er war groß und klug geworden, hatte begriffen, was für eine Bewandtnis es mit ihm hatte, und war voller Spott für das plumpe und niedrige Dasein, das ihn so lange in seiner Mitte gehalten hatte.«

Seine Mutter und seine jüngeren Geschwister wohnten schon seit dem Juli 1893 an der Isar. Der vier Jahre ältere Bruder Heinrich lebte als freier Schriftsteller an wechselnden Orten. Der Vater Thomas Johann Heinrich Mann, ein wohlhabender Kaufmann, war 1891 im Alter von 51 Jahren an Blasenkrebs gestorben. Der niederländische Konsul und Lübecker Senator, Minister der norddeutschen Stadtrepublik, hatte immer ein wenig extravagant gelebt, seine Anzüge in London schneidern lassen, russische Zigaretten geraucht und französische Romane gelesen. Thomas war als Nachfolger in der Firma vorgesehen gewesen, aber kurz vor seinem Tod hatte der Vater das Testament geändert. Die 100 Jahre alte Getreidehandlung wurde liquidiert, das Vermögen angelegt.

Die Mutter Julia, geboren 1851, war als Tochter eines Lübecker Kaffeeexporteurs in Brasilien aufgewachsen. Sie galt in der noch mittelalterlich engen Hafenstadt an der Ostsee als exotische Schönheit. Als Witwe zog sie den kunstsinnigen Süden, »die heitere, freiere Luft«, wie sich ihr Sohn Viktor später erinnerte, dem ungeliebten, protestantisch strengen Norden vor. Die Senatorin bezog mit ihren Kindern Julia, genannt Lula, Carla und Viktor eine herrschaftliche Wohnung mit acht Zimmern an der Rambergstraße 2, einer kleinen Straße hinter der Königlichen Akademie der Bildenden Künste an der Grenze zu Schwabing. Die Wohnung lag im Parterre eines Neubaus, der im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die Nachbarn waren standesgemäß: ein Kaufmann und Königlich Württembergischer Konsul und ein adeliger Major, hoher Beamter der Militärjustiz.

 

 

Abb. 1  Thomas Mann, Fotografie von 1894

 

 

Die Familien Mann und Bruhns

Die Manns stammten ursprünglich aus Nürnberg und waren Handwerker. Seit dem frühen 16. Jahrhundert sind sie nachzuweisen. Wann sie nach Mecklenburg kamen, ist nicht belegt. In Grabow waren sie im 17. Jahrhundert als Ratsherren tätig, im 18. Jahrhundert in Rostock als Ka