1.3.2 Ballaststoffe
Ballaststoffe (Synonyme: dietary fibre, Nahrungsfasern, Rohfasern) gehören überwiegend zur Gruppe der Kohlenhydrate bzw.Nicht-Stärke-Polysaccharide, die vom menschlichen Verdauungstrakt nicht aufgespalten werden können.
Hierzu zählen u. a. dieStütz- und Strukturelemente der Pflanzenzellwand:
Zellulose
Hemizellulose
Pektine
Lignine
Lignin gehört zur Gruppe der Ballaststoffe, allerdings nicht zur Gruppe der Kohlenhydrate, da es ein Polykondensat aus Phenylpropaneinheiten ist.
Zu den Ballaststoffen zählen auch die sog.Quellstoffe (Verdickungs- und Geliermittel):
Methyl- und Carboxymethylzellulose sind halbsynthetische Quellstoffe, die bessere lebensmitteltechnische Eigenschaften besitzen (z.B. bessere Säure- und Temperaturtoleranz) als die natürlichen Quellstoffe, z.B. Plantago-ovata-Samenschalen.
Ein Teil der Stärke fungiert ebenfalls als Ballaststoff. Es ist die sog. resistente Stärke. Beim Kochen und anschließendem Abkühlen von Kartoffeln entsteht zum Teil resistente Stärke (retrogradierte Amylose). In▶ Tab. 1.17 sind die Quell- und Füllstoffe und deren Vorkommen aufgelistet.
Tab. 1.17 Wasserlösliche und -unlösliche Ballaststoffe und deren Vorkommen (nach aid 1996).
Quellstoffe – wasserlösliche Ballaststoffe | Füllstoffe – wasserunlösliche Ballaststoffe |
Pektine, wasserlösliche Hemizellulose: Äpfel Zitrusfrüchte Bananen Karotten Zuckerrüben
| Zellulosen, Lignine, wasserunlösliche Hemizellulose: Vollkornprodukte Kleie Zitrusfrüchte Blattgemüse
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β-Glukane, Gummi-, Schleimstoffe: Hülsenfrüchte Hafer Gerste Roggen Reis Leinsamen u. a.
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Bis auf Lignin können alle Ballaststoffe Wasser binden und so bis zum 100-fachen ihres Eigengewichts erreichen. Bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr quellen die wasserunlöslichen Ballaststoffe im Dickdarm auf. Durch eine erhöhteDarmperistaltik verbessert sich die Verdauung.
1.3.2.1 Aufgabe von Ballaststoffen
Im Gegensatz zu anderen Kohlenhydraten, den Proteinen und den Fetten werden die Ballaststoffe nicht zur Energiegewinnung genutzt und nicht im oberen Abschnitt des Verdauungstrakts enzymatisch aufgespalten. Sie gelangen fast unverändert in den Dickdarm. Diewasserunlöslichen Ballaststoffe werden bakteriell nur zu einem geringen Teil abgebaut. Dafür binden sie Wasser und bewirken eine bessere Füllung des Darmlumens und fördern somit die Darmperistaltik. Diewasserlöslichen Ballaststoffe werden dagegen schnell und weitgehend komplett von den Darmbakterien abgebaut. Durch Enzyme der dort angesiedelten Milchsäure produzierenden Bakterien (Bifidobakterien, Laktobazillen etc.) wird ein Teil der Ballaststoffe zu kurzkettigen Fettsäuren (meist Essig-, Propion- und Buttersäure) und Gasen fermentiert. Durch die entstandenen Gase wird die Stuhlkonsistenz lockerer. Die kurzkettigen Fettsäuren verändern den pH-Wert und nehmen Einfluss auf den Gallensäure- und Ammoniakstoffwechsel. In ionisierter Form können sie über die Blutbahn dem Organismus als Energiequelle zur Verfügung stehen. Der Energiegehalt von Ballaststoffen liegt im Mittel bei 2 kcal/g.
Die Bakterien nutzen die durch Fermentation gewonnene Energie auch zur eigenen Vermehrung. Sie tragen somit zur Stuhlbildung bei und verkürzen die Transitzeit des Darminhalts. Damit haben sie einen positiven Effekt bei der Vorbeugung von Krebserkrankungen (Ausnahme: Brust- und Prostatakarzinom). Ballaststoffe, die die Menge der Milchsäure produzierenden Bakterien erhöhen, werden als Präbiotika bezeichnet.
Ballaststoffe gehören nicht zu den unentbehrlichen Nährstoffen. Sie sind jedoch für den geregelten Ablauf der Magen- und Darmfunktion unverzichtbar.
1.3.2.2 Ballaststoffzufuhr
Die DGE empfiehlt einenMindestverzehr von 30 g Ballaststoffen/Tag oder ca. 12,5 g/1000 kcal bzw. 3 g/MJ. Der Prozentsatz der über Ballaststoffe zugeführten Energie ist so verschwindend gering, dass er nicht in die Energiebilanz einbezogen werden muss.
Im Folgenden sind die Vor- und Nachteile einer ballaststoffreichen Kost dargestellt (nach aid 1996):
Vorteile:
längeres Kauen → Sättigungsgefühl hält länger an
verzögerte Entleerung des Magens → Sättigungsgefühl hält länger an
langsamere Blutzuckersteigerung
verkürzte Transitzeit im Ileum/Kolon
Erhöhung des Stuhlvolumens
Stuhlkonsistenz voluminöser/weicher
positiver Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmflora
Schwermetall-, Steroid-, Lipid-, Gallensäurebindung
Ammoniakbindung und -ausscheidung → Entlastung von Leber und Nieren
Nachteile:
Eine verminderte Resorption von Kalzium, Magnesium, Eisen und Zink hat nur bei erhöhter Zufuhr isolierter Ballaststoffe (z.B. Kleie) eine praktische Bedeutung. Da eine ballaststoffreiche Kost auch einen höheren Gehalt an Mengen- und Spurenelementen hat, wird der scheinbare Nachteil mehr als ausgeglichen.
1.3.2.3 Einsatz von Ballaststoffen
Der Einfluss der Ballaststoffe muss im Zusammenhang der gesamten Ernährung gesehen werden. Die Erhöhung der Ballaststoffzufuhr ist keine isolierte Maßnahme. Eine ballaststoffreiche Kost hat in der Regel eine andere Nährstoffrelation. Sie hat eineniedrigere Energiedichte und einen meist geringeren Anteil an tierischem Eiweiß, gesättigten Fettsäuren, Cholesterin, Purinen, Salz sowie isoliertem Zucker (▶ Tab. 1.18).
Tab. 1.18 Einsatzgebiete und Art/Vorkommen der Ballaststoffe.
Einsatzgebiete | Art/Vorkommen |