Das Jahr 1938 war für die noch in Deutschland lebenden Juden katastrophal verlaufen. Der deutsch-jüdische Romanist Victor Klemperer notierte Silvester 1938: «Ich las gestern flüchtig das Tagebuch 1938 durch. Das Résumé von 37 behauptet, der Gipfel der Trostlosigkeit und des Unerträglichen sei erreicht. Und doch enthält das Jahr, mit dem heutigen Zustand verglichen, noch soviel Gutes, soviel (alles ist relativ!) Freiheit.» Denn bis Anfang Dezember 1937 hatte Klemperer noch Zugang zur Bibliothek. Im folgenden Jahr ging es dann immer deutlicher abwärts: «Erst der österreichische Triumph. […] Dann im September die gescheiterte Hoffnung auf den erlösenden Krieg. Und dann eben der entscheidende Schlag. Seit der Grünspanaffaire das Inferno.» Über viele Stufen hinab war Klemperer in die Hölle gelangt: vom «Anschluss» Österreichs an Nazideutschland im März 1938 über das Münchner Abkommen vom 30. September bis zu den Novemberpogromen, der «Reichskristallnacht», für die das Attentat von Herschel Grynszpan auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath als Vorwand diente. Und doch befürchtete Klemperer noch Schlimmeres: «Die relative Ruhe der letzten Wochen darf nicht täuschen: in ein paar Monaten sind wir hier zuende – oder die andern. In der letzten Zeit habe ich nun wirklich alles Menschenmögliche versucht, um hier herauszukommen: das Verzeichnis meiner Schriften und meine SOS-Rufe sind überallhin gegangen: nach Lima, nach Jerusalem, nach Sidney, an die Quäker in Livingstone.» Klemperer sitzt Silvester 1938 in der Falle. Tro