: Adolf Muschg
: Löwenstern Roman
: Verlag C.H.Beck
: 9783406639524
: 1
: CHF 8.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 331
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

In seinem neuen Roman erzählt Adolf Muschg die Geschichte von Hermann Ludwig von Löwensterns (1777–1836) Versuchen, nach Japan zu gelangen. Der Balte hatte im Auftrage des russischen Zaren an Adam von Krusensterns erster Weltumseglung teilgenommen und kennt auch die dramatischen Ereignisse des zweiten russischen Versuchs unter Wassili Golownin, der mit dessen Gefangenschaft in Japan endet.
Golownin hatüber dieses Abenteuer geschrieben. Löwensterns eigenes Lebensabenteuer, das um"die Entdeckung" eines Landes kreist, das sich seit Jahrhunderten abgeschottet hat, führt ihn selbst in eine prekäre Gefangenschaft, aus der ihn nur die Liebe wieder befreien kann. Im Zentrum des Romans steht die leidenschaftliche, extreme Liebesgeschichte Löwensterns mit Nadja, die auf vielfältige Weise mit den Protagonisten dieser Geschichte– realen historischen Figuren– verbunden ist. Diese Liebe stellt alles infrage und auf den Kopf, Rollen, Gefühle, Sprache und Erotik. Löwensterns geheime Geschichte hat ihn zu Aufzeichnungen inspiriert, die auf verschlungenen Wegen in Adolf Muschgs Hände gelangt sind. Japan als Projektion und Erlebnis ist auch ein Lebensthema Muschgs. In diesem spannenden, auf historischen Tatsachen beruhenden Roman liefert Muschg zugleich ein Vexierbildüber das Spiel zwischen dem Eigenen und dem Fremden.



Adolf Muschg, geboren 1934 in Zürich, war u.a. von 1970-1999 Professor für deutsche Sprache und Literatur an der ETH in Zürich und von 2003-2006 Präsident der Akademie der Künste Berlin. Sein umfangreiches Werk, darunter die Romane «Im Sommer des Hasen» (1965), «Albissers Grund» (1977), «Das Licht und der Schlüssel» (1984), «Der Rote Ritter» (1993), «Sutters Glück» (2004), «Eikan, du bist spät» (2005) und «Kinderhochzeit» (2008), wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Hermann-Hesse-Preis, der Georg-Büchner-Preis und der Grimmelshausen-Preis. Unter dem Titel «Wenn es ein Glück ist» erschienen 2008 Gesammelte Liebesgeschichten Muschgs. Seine essayistischen Werke beschäftigen sich u.a. mit «Literatur als Therapie?», Gottfried Keller, Goethe und Japan.

II
Paris. Das Duell


 

1 Exzellenz,
Ihr Brief hat mich sehr überrascht. Wer hätte gedacht, daß Sie sich nach fünfundzwanzig Jahren noch an das Kind erinnern, das Sie im Mai 1777 in St. Johannis aus der Taufe gehoben haben. Es hat meinem Vater Spott und Häme eingebracht, daß er sich erlaubte, einen Mann wie Sie für diesen Dienst in Anspruch zu nehmen. Ihre Erhebung in das hohe Staatsamt stand bevor und rückte das Löwensternsche Familienfest ins schiefe Licht einer gewissen Spekulation. Gott hat unsern Stamm zwar ordentlich wachsen lassen, aber den Boden, auf dem er gedeihen soll, nicht ebenso vermehrt. So habe ich ihn als Seeoffizier wohl oder übel verlassen und dabei meine Grenzen kennengelernt; um auf Wasser zugehen, dazu gehört eine andere Statur. Ich bin viel herumgekommen und ebensooft gestrandet, vorzugsweise im Hafen. Es kommt vor, daß ich mich mit fünfundzwanzig schon zu alt fühle für das Leben, das ich mir als Bub vorgenommen habe. Bin ich noch ein freier Mensch oder nur noch einer, den nichts und niemand mehr hält?

Auf Ihre Protektion, Exzellenz, habe ich nie gebaut. Auch scheitern möchte ich lieber auf eigene Rechnung, als auf jemandes Kosten mein Glück zu machen, oder durch jemandes Gnade. Sogar mein Bruder Woldemar hat es aus eigener Kraft geschafft – immerhin zum General im Korsakowschen Korps. Er wurde gerade zurückerwartet, als ich, nach sechs Jahren Dienst auf englischen Schiffen, wieder einmal bei meiner Sippe einkehrte.

Ich wettete, daß er mich nicht mehr kannte, und verabredete mit den Schwestern, sie sollten mich als englischen Offizier in Zivil vorstellen, der in Rasik vorgesprochen habe, um dem Helden von Zürich Respekt zu erweisen. Die Komödie gelang, Woldemar erkannte mich nicht, war aber beflissen, mir nicht nur in bestem Englisch zu antworten, sondern auch sein taktisches Genie vor Augen zu führen. Nun sind die Unsern leider bei Zürich im zweiten Anlauf so tüchtig geschlagen worden, daß sie über alle Hügel flohen und dabei sogar ihre Kriegskasse zurückließen. Aber dem guten Woldemar genügten seine taktischen Siege so sehr, daß er meine Fragen als Beleidigung der russischen Ehre empfand und den unverschämten Gastforderte.

Ich nahm den Handschuh in britischer Ruhe auf und trieb die Sache so weit, daß wir uns am nächsten Sonnenaufgang in der Taxusallee wirklich mit der Pistole in der Hand gege