Drei Mädchen waren wir – drei Töchter und kein Stammhalter. Zum ersten Mal seit vielen Generationen auf dem Hof kein männlicher Hoferbe: welch ein Drama, über das aber natürlich nie öffentlich geklagt wurde. Zum Glück waren die sechziger Jahre ja eine Zeit der großen Veränderungen, auch wenn diese auf dem Land – besonders im konservativ-katholisch geprägten Gebiet unserer emsländischen Heimat – erst viel später und mit vielen Abstrichen ankamen. Doch diese Veränderungen machten es tatsächlich möglich, dass auch die Tochter eines Tages den Hof übernahm, ohne dass man erst verzweifelt nach einem möglichen Schwiegersohn Ausschau halten musste, der fähig war, einen Hof zu führen.
Es zeichnete sich schnell ab, dass ich – obwohl die Erstgeborene – diese Tochter sicher nicht sein würde. Meine Welt waren eher die Bücher und das Haus, die meiner Schwester der Hof und die Weite draußen. Unsere jüngste Schwester schwebte als Nesthäkchen irgendwo dazwischen. Während die berufliche Zukunft meiner Schwestern eher auf den Hof und dessen Weiterbestehen zulief, habe ich mein Abitur gemacht und überlegt, was aus mir werden sollte. Was ich schließlich machte, hatte es in unserer gesamten Familie noch nie gegeben und sorgte sowohl innerfamiliär wie auch in unserem katholischen Umfeld hinlänglich für Verblüffung: Ich begann mit einem Studium der Evangelischen Theologie, motiviert und geprägt durch unseren damaligen Gemeindepastor, der in der Zeit meiner Pubertät und Jugend einen großen Einfluss auf mich hatte. Zwar war ich interessiert an der Theologie und auch an Gemeindearbeit, trotzdem konnte ich mir nicht recht vorstellen, jemals als Pastorin zu arbeiten, was mich zu diesem frühen Zeitpunkt wenig berührte. Es gab ja noch viele Möglichkeiten, auf diesem Studiengang aufbauend, etwas ganz anderes zu machen.
Die Zeit meines Studiums brachte mich mit einer völlig neuen Welt weit weg vom Bauernhof in Berührung. Unter all den vielen Akademikerkindern hatte ich viele Minderwertigkeitskomplexe. Ich merkte, dass sie ganz anders aufgewachsen waren als ich – mit Literatur, Oper und Theater, Urlaub und Großstadt. War ich je beim Griechen oder Chinesen essen gewesen oder hatte modernes Tanztheater gesehen? Auch einen Bioladen hatte ich – als Landkind völlig vertraut mit der natürlichen Produktion von Fleisch, Milch, Gemüse und Brot – noch nie betreten, geschweige denn an Friedenskundgebungen und Demonstrationen, wie sie in den achtziger Jahren in den Uni-Städten an der Tagesordnung waren, teilgenommen.
Vielleicht hat das alles weniger mit dem Bauernhof als vielmehr mit der Tatsache zu tun, dass ich schlicht aus einer sehr ländlichen Region stammte. Doch ich kam mir oft genug vor wie die sprichwörtliche „Landpomeranze“, die von nichts eine Ahnung hatte und sich vieles, was für andere völlig selbstverständlich war, jetzt erst aneignen musste. Ich konnte nicht ahnen, dass ich natürlich ein ganz anderes Wissen mitbekommen hatte, das für mein späteres Leben noch von erheblichem Belang sein sollte.
Manchmal war es, als ob man in zwei Welten lebte: während des Semesters in der akademischen Welt der Uni, in den Semesterferien zu Hause auf dem Hof. Beides hatte seinen eigenen Reiz. Ich weiß noch genau, wie ich die Wochen zu Hause immer ge