: Simon Borner
: Professor Zamorra 1017 Der Feind meines Feindes
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783838749075
: Professor Zamorra
: 1
: CHF 1.80
:
: Horror
: German
: 64
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

'Lassen Sie uns einen Pakt schließen, Cranston.' Nicole Duval sah Zamorra an, als habe er den Verstand verloren. Doch der Dämonenjäger sprach unbeirrt weiter. 'Sie und ich - gemeinsam gegen das Unbekannte.' Finn Cranston, der Vampir, der sich zum Herrscher über New York aufgeschwungen hatte, lachte abfällig. 'Sie träumen wohl, Zamorra! Wir stehen auf verschiedenen Seiten. Ihnen verdanke ich meine größte Niederlage! Warum sollte ich mich mit Ihnen verbünden?' 'Weil Sie sonst untergehen. Genau wie Nicole und ich. Nur gemeinsam können wir noch überleben.' Cranston schnaubte. Seine Mundwinkel zuckten. 'Sie täuschen sich, Professor. Einer von uns dreien wird den Central Park morgen früh lebend verlassen - das versichere ich Ihnen. Aber Sie werden es nicht sein ...'

Kapitel 2

Feuergeist

Vor langer Zeit

 Die Trommeln sangen wieder. Ihr Lied erzählte von jenen, die der Sonne zu nah gekommen und ins Meer gestürzt waren. Von den Waldläufern, die keinen Blick für die Natur gehabt hatten. Von den Fischern, die mit ihren Booten zu nah an den Horizont fuhren, weil sie glaubten, unbesiegbar zu sein.

Rathuul stand auf der Klippe und schaute hinaus in die Nacht. Es war kalt, doch die Felle, die er trug, wärmten ihn ausreichend. Das Meer tobte und rauschte unter ihm. Es sang ein ganz anderes Lied als die Trommeln. Eines, das ihm bedeutend besser gefiel.

Erst, als das Rascheln hinter ihm erklang, drehte er sich um. Doch es war nicht sein Bruder, wie sonst. Sondern …

»Frydda.« Vor lauter Staunen stand ihm der Mund offen.»Was machst du hier? Warum bist du nicht bei den anderen, am Feuer?«

Der Himmel war wolkenverhangen. Nur selten schaffte es ein Strahl Mondlicht zur Erde. Dennoch sah er sie schmunzeln. Sie sagte nichts und trat schweigend an seine Seite. Minuten vergingen, in denen er ziemlich ratlos neben ihr stand und wartete, doch Frydda sah hinaus aufs Meer. Sie schienüber etwas nachzudenken.

»Es ist schön hier«, sagte sie irgendwann, und es klang wie ein Entschluss.

Rathuul hob eine Braue.»Findest du?« Das hatte er noch niemanden sagen hören. Normalerweise hatte er diese Stelle für sich allein – sie und die Träume.

Frydda sah ihn an.»Warum kommst du hierher, Rathuul?«, fragte sie plötzlich, und ihr Ton machte deutlich, dass sie keine Ausreden tolerieren würde.»Du spaltest dich vom Rest des Stammes ab, gehst deine eigenen Wege. Du sitzt nicht bei den Feuern, und du singst auch nicht von den Geistern, die in den Flammen wohnen. Du bist anders als die anderen.«

Er schluckte.Ähnliches fragte sein Bruder schon seit Jahren, doch bei Frydda klang es nicht anklagend, sondern … ja, wie? Er bemerkte den Unterton durchaus, verstand ihn aber nicht. So hatte noch niemand mit ihm gesprochen.

»Tut mir leid«, sagte er zerknirscht und wunderte sich zugleich darüber. Warum glaubte er, sich bei ihr entschuldigen zu müssen? Für was denn? Er war, wie er war. Er wollte gar nicht anders sein.»Ich … Die alten Geschichten geben mir einfach nichts, verstehst du? Sie bremsen uns doch nur aus. Jahraus, jahrein dieselben alten Rituale, dieselben Muster. Schwindet das Eis, ziehen wir auf die Felder. Kehrt es zurück, gehen wir in die Höhlen, wo die Ernte bereits wartet. Wir werden alt und zeugen Junge, doch wirändern nichts am Lauf der Dinge. Wir stagnieren, statt zu wachsen.«

Frydda hob die Hand und strich ihmüber die Wange.»Rechtfertigungen, Rathuul?«, fragte sie amüsiert und leise.»Ich hätte dich für stärker gehalten.«

Das war er auch! Verflucht, natürlich war er das. Normalerweise scherte er sich einen Dreck um das, was andere von ihm dachten. Er wusste, dass er in den Augen der restlichen Stammesbrüder ein Sonderling war, weil er sich nach dem sehnte, wovor die Lieder warnten. Na und?

Aber warum fühlte er sich vor Frydda plötzlich, als müsse er sich erklären? Ausgerechnet vor ihr?

»Was willst du hier?«, fragte er, einer spontanen Eingebung folgend, die er selbst nicht ganz begriff.

Fryddaöffnete den Knoten am Kragen ihres Leibchens. Der Stoff glitt ihr von den Schultern. Weiße, weiche Haut glänzte im Mondschein.»Ich? Ich will gar nichts. Ich mag es, wenn jemand anders ist. Weiter nichts.« Sie schmunzelte.»Die Frage lautet viel eher: Was willstdu

Rathuul atmete schwer. Irgendetwas schien plötzlich in seinen Eingeweiden zu brennen, sein ganz eigener Feuergeist. Sein Blick hing wie gefesselt an Fryddas Körper, glittüber sie, als wolle er jedes Detail und jede Rundung auf ewig in sein Gedächtnis zwängen.

Frydda ergriff seine Hand. Führte sie an ihre Brust. Hielt sie dort.»Willst du das?«

Ihre Augen waren tiefer als das Meer. Rathuul wusste nicht, was er tat, als er Frydda packte und mit sich auf d