: Gerald Groß
: Making News Hinter den Kulissen der TV-Nachrichten
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218008990
: 1
: CHF 15.20
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: TV: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eugen Freund hat seine Fragen vergessen. Ingrid Thurnher bekommt einen Lachanfall. Roman Rafreider macht Stimmübungen. Und Bundespräsident Dr. Heinz Fischer spricht Finnisch. All das vor laufender Kamera. Gerald Groß, langjähriger ZIB-Moderator, erzählt mit Witz und Charme vom Alltag im Newsroom: •Er schildert, warum die längste aller Sondersendungen - 9/11 - beinahe nicht stattgefunden hätte, •beschreibt, was Korrespondenten bisweilen auf sich nehmen, um brandaktuell von den Schauplätzen der Weltpolitik zu berichten, •erklärt, warum Christa Kummers High Heels ein nationaler Aufreger sind, •erläutert, warum jemand mit dem Namen Quadfasel nicht TV-Experte werden kann und vieles andere mehr. Gerald Groß kennt das TV-Nachrichten-Business aus dem FF. In launigen Anekdoten erzählt er in diesem Buch, wie TV-News entstehen, was dabei alles schief gehen kann, wie man seinen Traumjob beim Fernsehen findet und wie man mit dem Stress bei Sondersendungen umgeht. Aus dem Inhalt •Was Moderatoren tun, wenn sie nicht auf Sendung sind •Von geborgten Sakkos, falschen Brillen und Strumpfbändern, die zum guten Ton gehören •Was man in einer Nekrothek findet •Fraktion 'Eiserner Hintern': Redaktionssitzungen als tägliches Ritual •Wenn die Autocue im Retourgang läuft •Warum Edelreserven Ladenhüter sind •Was passiert, wenn die Technik streikt •Monica Lewinsky und Peter Filzmaier: Wie man TV-Experte wird - und bleibt •Warum Korrespondenten niemals fad ist, auch wenn in ihrem Land nichts los ist •Warum zu guter Letzt immer noch das Leben Regie führt

Gerald Groß, Jahrgang 1964, war ein Vierteljahrhundert lang Journalist. 23 Jahre davon verbrachte er in verschiedenen Redaktionen des ORF, die letzten zehn als Leitender Redakteur und Moderator in der ZIB2 und der ZIB1. Er moderierte aber auch Modern Times und die Pressestunde. 2011 verließ er auf eigenen Wunsch den ORF und ist seither als Medientrainer, Berater, Moderator und Autor tätig.

Vom richtigen Dreh-Moment


Die Autocue und ihre Tücken


Komplett von der Rolle


Hand aufs Herz– wer kennt schon Jess Oppenheimer? Dabei müsste sein Foto zum ehrenden Angedenken auf dem Schreibtisch einer jeden Fernsehmoderatorin und eines jeden Fernsehmoderators stehen. Denn Jess Oppenheimer ist der Erfinder des Teleprompters, und ohne den geht im Fernsehen ganz allgemein fast nichts und bei den Nachrichten gar nichts. Mit dem News-Geschäft hatte der 1913 in San Francisco geborene Autor und Regisseur freilich nie etwas zu tun. Sein Metier war die Unterhaltung– zunächst im Radio, dann im Fernsehen. In den fünfziger Jahren war er Produzent und Mastermind der legendären CBS-Sitcom„I love Lucy“, und die regte ihn auch zur wichtigsten seiner zahlreichen Erfindungen für Radio, Film und Fernsehen an. Oppenheimer hielt tatsächlich 18 Patente, darunter eben auch jenes für den„in-the-lens-teleprompter“, der seinen Siegeszug im Fernsehen ganz genau am 14. Dezember 1953 antrat. Damals wurde er zum ersten Mal von den beiden Schauspielern Lucille Ball und Desi Arnaz verwendet– und zwar für eine Philip-Morris-Zigarettenwerbung, die an jenem Tag in„I love Lucy“ ausgestrahlt wurde. Zeit war im Fernsehen wohl schon damals Geld, und Schauspieler mit schlechtem Gedächtnis waren offenbar der Schrecken der Produzenten, sodass sich Oppenheimers Erfindung vom ersten Tag an lohnte. Freilich war das, was er zum Patent angemeldet und 1955 an die einschlägig aktive Firma„Autocue“ (im Lauf der Zeit ist der Firmenname zum Synonym für das Gerät geworden) in Lizenz verscherbelt hatte, eine rudimentäre Form dessen, was Moderatoren (und wahlkämpfende Politiker in den USA) heute unter diesem Hilfsmittel verstehen. Immerhinüberlebte sein vergleichsweise primitives Papierrollensystem bis 1969, dem Jahr, in dem Autocue den ersten„closed-circuit prompter“ (sichtbar nur für die Benützer im Studio, aber nicht für die Zuschauer zuhause) vorstellte. Seither hat sich an der„Karaoke-Maschine für Moderatoren“ nicht allzu viel geändert.

Auch wenn es für viele noch immer nach Magie aussieht, technisch ist das Geheimnis nicht nur längst gelüftet, sondern auch leicht zu durchschauen– im wahrsten Sinn des Wortes. Und hier ist die Bauanleitung: Unter das Kameraobjektiv wird waagrecht (mit dem Bildschirm nach oben) ein Monitor angebracht, der zunächst den Text spiegelverkehrt anzeigt. Die Moderatoren lesen den Text dann von einem vor dem Objektiv montierten (schräg nach unten in Richtung des Textes zeigenden) Einwegspiegel ab, während sie unentwegt direkt in die Kameralinse blicken. Für die Qualität des Bildes stellt der Einwegspiegel kein Problem dar, weil die Kameras diese minimale Beeinträchtigung leicht ausgleichen können. Bleibt noch die Frage, wie der Text selbst in den Teleprompter kommt. Nun, in der Oppenheim-Ära und noch lange danach (ehrlich gesagt, bis in die neunziger Jahre) griff man tatsächlich auf die gute alte Schriftrolle zurück. Das heißt, die Moderationstexte wurden per Schreibmaschine auf A4-Blätter getippt, die dann einfach an den Enden zusammengeklebt und aufgerollt wurden. Die Rolle selbst wurde im Technikraum in ein dafür vorgesehenes Gerät gespannt und dann per Hand von der Moderationssekretärin höchstpersönlich abgerollt. Der Text wurde dabei Zeile für Zeile von einer Kamera abgefilmt und auf die Monitore unter den Objektiven der Kamerasübertragen und dann gespiegelt. Man kann sich leicht vorstellen, dass dieses System nicht gerade maximale Flexibilität erlaubte: Wurde die Reihung der Beiträge etwa verändert, mussten ja die entsprechenden Moderationstexte aus der Rolle herausgeschnitten und an der neuen Stelle wieder eingeklebt werden. Wurden im Vorfeld einer Sendung die Berichte mehrmals hin- und hergeschoben, konnte es vorkommen, dass der Klebstreifen an so mancher Nahtstelle bereits mehrere Millimeter dick war, und dann passierte das Unvermeidliche: Die Blätter blieben stecken, der Teleprompter stoppte und der Moderator stockte. Nicht selten passierte es auch, dass Blätter von vornherein falsch zusammengefügt wurden und dann der Moderationstext und der folgende Beitrag genau nichts miteinander zu tun hatten.

Retourgang und Gaspedal


Dass sich die Wahrscheinlichkeit für menschliches Versagen potenziert, je mehr Menschen an einem bestimmten Prozess beteiligt sind, ist logisch und gilt natürlich auch (oder erst recht) für das Fernsehen. Manchmal wird dem Versagen freilich nachgeholfen, wie das folgende Beispiel zeigt: Die für das Abrollen der Moderationstexte vorgesehene Maschine wurde in jenen Zeiten im ORF von Technikern gewartet, vorbereitet und eingestellt. Ob es Zuneigung zu einer ganz bestimmten Moderationssekretärin oder das Gegenteil davon war, Boshaftigkeit oderÜbermut oder das Begleichen einer alten Rechnung, lässt sich heute nicht mehr klären, aber eines Tages gefiel es dem diensthabenden Kollegen von der Technik, die Maschine so einzustellen, dass die zuvor korrekt eingespannte Rolle verkehrt herum abgespult wurde– der Teleprompter im Retourgang also! Das Entsetzen im Gesicht der Kollegin am Drehknopf und ihr Verzweiflungsschrei müssen denÜbeltäter in der Sekunde geläutert haben, denn er schaltete augenblicklich um, und der Text lief wieder in die richtige Richtung. Dem Moderator nützte das freilich wenig. Der hatte seine Schrecksekunde auf Sendung, durfte aber weder schreien noch sein Entsetzen zeigen, sondern musste improvisieren und in der Folge vom Blatt lesen. Das ist im Fernsehen fast immer so: Die Letzten beißen die Hunde, und das sind die, die ihr Gesicht in die Kamera halten.

Heute wird der abzulesende Text von den Moderatoren selbst an ihren Schreibtischen in den Computer getippt, abgespeichert und nach einer entsprechenden Kontrolle durch den Chef vom Dienst freigegeben. Auf vielen Sendern (von Bloomberg bis n-tv) wird der Teleprompter auch von den Moderatoren selbst meist via Fußsteuerung (liebevoll„Gaspedal“ genannt) gesteuert, in den Nachrichtensendungen des ORF machen das noch eigene Sekretärinnen oder Assistenten. Sie regulieren im Regiera