: Hannes Etzlstorfer
: Die Reisen der Habsburger Von Kavalierstouren, Brautschau und hoher Diplomatie
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218008952
: 1
: CHF 8.90
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: Neuzeit bis 1918
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ob zur Brautschau, zur Krönung oder zu Bildungszwecken, 'Du musst trachten, aus Deinen Reisen Nutzen zu ziehen', meinte Maria Theresia. In seinem Streifzug durch die Jahrhunderte erzählt Kunst- und Kulturhistoriker Hannes Etzlstorfer von den Reisen gekrönter Häupter: Von Friedrich III., der auf seiner dreimonatigen Reise im kalten Winter 1451/52 zur Kaiserkrönung nach Rom gleich auch Eleonore von Portugal heiratete, eine wahrlich beschwerliche Tour. Von Rudolf II., der 1563 zu Bildungszwecken nach Spanien verschickt wurde: Das streng katholische, von der Inquisition vergiftete Klima tat ihm nicht gut: Als er nach acht Jahren nach Wien zurückkehrte, war er ein scheuer, wortkarger und ängstlicher junger Mann geworden. Im Barock wurde das Reisen Teil der Repräsentation: Als Marie Antoinette am 21. April 1770 von Wien nach Paris aufbrach, umfasste der Tross 263 Gäste in 57 Kutschen, darunter allein 76 Personen Küchenpersonal - Mundköche, Brandköche, Küchenträger, Spießtreiber, Hofzuckerbäcker, Silberdiener, Tafeljungen und Kellermeister. Mit der Erfindung von Eisenbahn und Dampfschiff wurde das Reisen bequemer. Kaiser Franz Josef und Kaiserin Elisabeth nutzten diese neuen Verkehrsmittel extensiv, nicht zuletzt bei ihren Erholungsfahrten nach Bad Ischl. Das letzte Kapitel lautet 'Endstation Kaisergruft': Die Reise, an deren Ziel auch die gekrönten Häupter nur mehr als 'sterblicher, sündiger Mensch' gelangen.

Dr. Hannes Etzlstorfer, geboren 1959, ist Kunst- und Kulturhistoriker, Ausstellungskurator und Kulturjournalist in Wien. Konzeption und Mitarbeit an mehr als 60 Ausstellungen zur Kunst- und Kulturgeschichte im In- und Ausland. Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher.

I.
HERRSCHEN VERPFLICHTET:
REISEN ZWISCHEN NOTWENDIGKEIT UND LUST


„Das ist das Angenehme auf Reisen, dass auch das Gewöhnliche durch Neuheit und Überraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt.“ So charakterisierte Johann Wolfgang von Goethe eines der Hauptmotive des Reisens.
Er sei„Novarum rerum cupidus“ („Ich bin neuer Dinge begierig“), meinte auch Gaius Julius Caesar (gest. 44 v. Chr.), dem alle nachmaligen Kaiser ihren Titel verdanken sollten. Er reiste aber nicht nur aus Neugierde und Lust: Der schier rastlose Caesar war vor allem in militärischer Mission von Spanien über Gallien, Britannien bis hin nach Kleinasien und Nordafrika unterwegs. Die Antike kannte auch bereits Forschungsreisen, bei denen die Sehenswürdigkeiten Ägyptens und Griechenlands ausgekundschaftet wurden. Und selbst die Möglichkeit der Sommerfrische und der Kuraufenthalte als Ausgleich für soviel Rastlosigkeit im Dienste der Staatssache zeichnet sich schon in der Antike ab: Man erholte sich in den römischen Kaiserthermen oder in reizvollen Landvillen abseits der Großstädte. Schon Horaz versprach sich vom Landleben Erholung:„Beatus ille, qui procul negotiis“ („Glücklich ist der, der fern von Geschäften/Pflichten ist“).

Nach ihren besondern Staats=Absichten hierzu genöthiget


In ihrem Selbstverständnis als Regenten des Heiligen Römischen Reichs haben sich daher Generationen von Königen und Kaisern auf diese antiken Traditionen berufen. Gerade am Beispiel der Habsburger, die nach der Schlacht am Marchfeld am Freitag, den 26. August 1278 die Herrschaft in Österreich antraten und von da an die Geschicke des Landes über 640 Jahre prägen sollten, werden nicht nur die unterschiedlichen Reiseabsichten und -usancen ablesbar, sondern auch ihr Bedeutungswandel. Zwischen der Geburt König Rudolf I. (1218) und der Abdankung Kaiser Karls I. (1918) liegen genau 700 Jahre, in denen insgesamt 24 Generationen von Habsburgern aufeinander folgten, aus denen wiederum 400 Personen das Erwachsenenalter erreichten. Unter diesen befinden sich neben 18 Kaisern auch fünf regierende Herzöge, vier Könige und eine Königin in der österreichischen Hauptlinie.1 Die Habsburger verdankten viele ihrer politischen Erfolge weniger dem militärischen Geschick als einer taktisch ausgeklügelten Heiratspolitik bzw. diplomatischem Kalkül, die auch in der legendären Habsburgerdevise des 15. Jahrhunderts ihren Ausdruck findet:„Bella gerant alii, tu felix Austria nube. Nam quae Mars aliis, dat tibi diva Venus“ („Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate. Denn was Mars den anderen verschafft, gibt dir die göttliche Venus“). Auch wenn die Habsburger bei ihren Hochzeiten weniger dem Fingerzeig der Liebesgöttin denn politisch-finanziellen Notwendigkeiten folgten, entband sie diese nicht, in ganz Europa Ausschau nach den „besten Partien“ zu halten und dabei gelegentlich selbst auf Brautschau zu gehen. Die diesbezüglichen Zeremonialvorschriften des Barock nennen dieses Problem auch ohne Umschweif:„Es geschicht nicht selten, daß diejenigen, so sonst Länder und Unterthanen zu beherrschen pflegen, bey ihren Vermählungen ihren eigenen Willen beherrschen, und sich mit einem Ehegatten verbinden müssen, nicht, wie sie ihn sonst nach dem natürlichen und freyen Zuge ihres Hertzens erwehlen würden, sondern, wie sie nach ihren besondern Staats=Absichten hierzu genöthiget werden.“2

Nicht immer ist bei den Reisemotiven die Grenze zwischen Pflicht und Vergnügen klar auszumachen, da Traditionen, Konventionen wie auch das jeweilige Naturell und Interesse des Reisenden stark hineinspielen. Manchmal erfolgten Reisen wegen drohender Gefahren oder aus Geldnot, was ihnen mehr den Charakter einer Flucht verleihen sollte. Nachdem etwa am 30. Mai 1485 König Matthias von Ungarn Wien erobert hatte, fühlte sich Kaiser Friedrich III. in seinen Erblanden nicht mehr sicher und trat eine mehrjährige Reise in das Reich an, um Hilfe zu holen. So beschloss er, jeden einzelnen Kurfürsten und Fürsten an dessen Wohnort aufzusuchen, um durch persönlichen Einfluss Beistand zu e