3. KAPITEL
Statt eine Begegnung mit Ree-Jane Davidow zu riskieren, die ich zuletzt in der Hotelhalle gesehen hatte, ging ich über die Hintertreppe den Gang hinunter ins vordere Büro, von wo aus ich Axels Taxiunternehmen anrufen konnte.
Es gab mal eine Dichterin namens Emily Dickinson, die, wie ich erfuhr, die Schöne von Amherst genannt wurde. Ree-Jane Davidow glaubte, sie sei die Schöne von Überall – von Spirit Lake, La Porte und Lake Noir. Von jedem Ort im Umkreis von ungefähr fünfundzwanzig Meilen war Ree-Jane die Schöne.
Sie war sechzehn, beinahe siebzehn. Eigentlich hieß sie Regina Jane, beschloss aber eines Tages, dass sie es so ausgesprochen haben wollte wie bei einer berühmten französischen Schauspielerin, Réjane. Ständig bekniete sie mich, ich sollte es kehlig aussprechen, aber ich konnte oder wollte nicht. Heraus kam bei mir »Ree-Jane«, was sie natürlich in eine Stinkwut versetzte. Seither nenne ich sie so und ein Haufen andere Leute auch, die glauben, das sei ihr richtiger Name. Ich korrigiere sie nicht.
Weil im hinteren Büro keiner war (obwohl ich Ree-Jane draußen in der Hotelhalle deklamieren hörte), rief ich bei Axel an und bat die Vermittlung, ein Taxi zum Hotel Paradise zu schicken. »Und sorg bitte dafür, dass Axel kommt, Wilma.« Axel kam nie.
»Klar, Süße. Er ist gleich wieder da, muss bloß noch einen Fahrgast nach Lake Noir bringen.«
Ich sagte ihr, dass ich unten an der ersten Auffahrt abgeholt werden wollte – das Hotel hat drei Auffahrten – undnicht vor dem Hotel.
Während des Telefonats betrachtete ich eingehend das Regal mit Mrs Davidows Alkoholika. Es befand sich gleich neben dem großen Rolltop-Sekretär, wo sie gewöhnlich um fünf immer ihre Drinks zu sich nahm. Ich bemerkte die leere Flasche Myer’s Rum und überlegte, ob Lola die auch bemerken würde. Da stand auch eine Flasche mit einem sogenannten Pyrat, von dem Mrs Davidow gesagt hatte, wehe, sie erwische einen damit, der sei nämlich richtig gut und richtig teuer. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, ein bisschen von dem Pyrat in die Flasche mit dem Rum zu gießen (den ich für die Rumbas aufgebraucht hatte), fand das dann aber doch riskant. Womöglich hatte sie den Pyrat ja genau abgemessen.
Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, stand ich unschlüssig da und überlegte, was wohl am ehesten nach Rum schmeckte. Ob ich etwas von dem Jim Beam in die Myer’s-Flasche schütten sollte? Aber Mrs Davidow würde merken, dass es komisch schmeckte. Ich beschloss, dass es besser war, die Flasche einfach unauffällig zu entsorgen.
Ich verließ das Hotel durch die Hintertür und ging den Pflasterweg entlang zum Cocktailgarten, in der Absicht, die Flasche dort auf dem Tisch stehen zu lassen. Aber dann dachte ich, nein, dann würde man bloß merken, dass sie leer war.
Will sagte, Mrs Davidow sei definitiv Alkoholikerin. Dass man Alkoholiker ist, merkt man unter anderem daran, dass man verrückte Sachen mit Flaschen anstellt. Wie inDas verlorene Wochenende, einem Film, den ich mir nicht anschauen durfte, was bloß hieß, dass ich, sobald er im Orion kam, schnurstracks reinging. (Der Besitzer, Mr McComas, mochte nämlich alte Filme.) Jedenfalls versteckte Ray Millard, der Typ, der die Hauptrolle spielte, überall in seiner Wohnung Flaschen, eine sogar im Kronleuchter.
Hier schleppte ich nun also eine leere Flasche Myer’s Rum herum und hoffte, bloß keinem zu begegnen, außer es war ein Filmproduzent, der in der Situation womöglich Potenzial erkannte. Ich musste aufhören mit d