EINE ERFOLGSSTORY, DIE SICH NICHT VON SELBST FORTSCHREIBT
Einleitung
„Krise“ ist das Unwort unserer Tage. Wir begegnen ihm seit Jahren an allen Ecken und Enden in unermesslich vielen Variationen: zuerst als in den USA beginnende Immobilienkrise ab 2007, die eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise zur Folge hatte und in vielen Fällen eine schon seit Längerem schwelende Staatsschuldenkrise erst so richtig zum Vorschein brachte; dann als Krise Europas, das um neue Regeln für seine Währungsunion kämpft und deshalb neue Institutionen braucht; zwischendurch als Bankenkrise, Griechenland-Krise, Zypern-Krise…
Das inflationär gebrauchte Wort verschleiert mehr, als es erhellt. Kausalitäten werden ausgeblendet, Gewichtungen fallen unter den Tisch, die Einordnung von aktuellen Problemlagen in historische Zusammenhänge geht verloren. So ist es kein Wunder, dass die Krisenschlagzeilen der letzten Jahre auch den Blick auf etwas verstellt haben, was jüngerenÖsterreichern meist erst bewusst wird, wenn sie die Geschichtsbücher studieren: die beinahe unglaubliche ErfolgsgeschichteÖsterreichs nach 1945, der Aufstieg von einem Armenhaus zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt.
Wer am Ende des Zweiten Weltkriegs durch Wien streifte, sah eine Stadt in Trümmern, hungernde Menschen, verzweifelte Gesichter, aber auch Hand anlegende Trümmerfrauen. Trotz der vielen Opfer des Krieges, seiner gewaltigen Zerstörungen und der Belastungen durch die folgende zehnjährige Besatzung stehtÖsterreich heute als ein Land da, das in vielen Wirtschaftsvergleichen hervorragende Weltpositionen einnimmt. Beim Wohlstand sind wir weltweit die Nummer elf, in Europa sogar die Nummer drei. Die Verteilung dieses Wohlstands ist, nimmt man den Gini-Index als Maßstab, eine der ausgeglichensten. Wien ist unter den Millionenstädten weltweit eine mit der höchsten Lebensqualität geworden.
Nach einem Knick in Folge der Wirtschaftskrise haben die Exporte im Jahr 2012 mit 123,5 Milliarden Euro bereits wieder einen historischen Spitzenwert erreicht. Seit 2002 erzielt das Land durchgängig Leistungsbilanzüberschüsse, in Summeüber 70 Milliarden Euro. Im Vergleich mit anderen starken Volkswirtschaften des Kontinents konnten wir uns in den letzten Jahrenüberdurchschnittlich gut behaupten: Selbst die Niederländer erwarten 2013 das dritte Mal seit 2009 eine Schrumpfung ihrer Wirtschaft. InÖsterreich war das Bruttoinlandsprodukt bisher nur im Jahr 2009 rückläufig. Was sind die Gründe für diesen erstaunlichen Aufstieg und für diese Robustheit?
Im Gegensatz zur prekären Lage in der Ersten Republik, einem„Staat, den keiner wollte“ und der den Schock des Zerfalls der Donaumonarchie nieüberwand, bestand nach 1945 der unbedingte Glaube an dieÜberlebensfähigkeit des Landes. Eine große Anzahlösterreichischer Politiker aus allen politischen Lagern hatte sich während der nationalsozialistischen Herrschaft in den Konzentrationslagern wiedergefunden– in Dachau oder anderen Schreckensorten etwa die spätere Führungsgarnitur der Zweiten Republik: Leopold Figl, Alfons Gorbach, Fritz Bock, Franz Olah, Rosa Jochmann, Karl Seitz und viele andere. Der Bürgerkrieg 1934, die Erfahrungen unter dem austrofaschistischen Regime, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg hatten einen Gesinnungswandel bewirkt, Grundstein für eine neue Identitätsstiftung. Niemals vergessen werden darf dabei, dass viele, vor allem jüdische Mitbürger, nach dem Anschluss ermordet worden sind oder fliehen mussten. Eine große Zahl derÜberlebenden ist zum Glück nach dem Krieg wieder zurückgekehrt.
Wirts