: Alexandra Martin, Martin Härter, Peter Henningsen, Wolfgang Hiller, Birgit Kröner-Herwig, Winfried R
: Evidenzbasierte Leitlinie zur Psychotherapie somatoformer Störungen und assoziierter Syndrome
: Hogrefe Verlag GmbH& Co. KG
: 9783840925245
: 1
: CHF 24.00
:
: Psychologie
: German
: 284
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Die evidenzbasierte Leitlinie gibt Empfehlungen für die Therapie somatoformer Störungen und assoziierter Syndrome. Die Behandlungsleitlinien wurden von einem Expertenteam der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) entwickelt. Sie basieren auf dem aktuellen Kenntnisstand zu wirksamen Psychotherapien sowie zur Kombination von Psychotherapie mit Pharmakotherapie bei diesen Störungen. Der Band bietet eine knappe Beschreibung somatoformer Störungen und assoziierter Syndrome, wie z.B. Hypochondrie, chronischer Rückenschmerz, chronisches Erschöpfungssyndrom, Reizdarmsyndrom, Fibromyalgie, somatoformer Schwindel. Er gibt Hinweise zur Diagnostik, zur Pharmakotherapie bei somatoformen Störungen und liefert spezifische Empfehlungen für die Therapie. Die derzeit vorliegende Evidenz für verschiedene psychotherapeutische Ansätze wird in übersichtlichen Tabellen gegenübergestellt.
Im diagnostischen Prozess ist zunächst zu prüfen, ob körperliche Symptome vorliegen, die nicht oder nicht vollständig durch einen bekannten medizinischen Krankheitsfaktor oder -prozess erklärt werden können. Liegt eine Gruppe solcher Symptome vor, so handelt es sich um ein somatoformes Syndrom. Um eine Störungsdiagnose stellen zu können, müssen weitere Merkmale hinzukommen (z. B. eine bestimmte Dauer oder Verlaufscharakteristika, Beeinträchtigungen in der Lebensführung, Ausschlusskriterien zur Abgrenzung gegenüber anderen psychischen Störungen).

In Kasten 1 sind Symptome aufgeführt, die bei der Abklärung einer etwaigen somatoformen Störung gezielt überprüft werden sollten. Es handelt sich um alle Symptome, die in den diagnostischen Kategorien von DSM-IV oder ICD-10 aufgeführt sind. Anzumerken ist, dass es sich um keine empirisch geprüfte, sondern eine historisch entstandene Symptomliste handelt, die auch sehr seltene Symptome enthält, während häufige und wichtige Symptome wie Erschöpfung oder chronische Müdigkeit fehlen.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein berichtetes Symptom nicht automatisch ein klinisch relevantes Symptom und auch nicht zwangsläufig ein somatoformes Symptom sein muss. Daher sollten folgende Aspekte für jedes Symptom geprüft werden:

Ist ein Symptom tatsächlich medizinisch nicht ausreichend begründet?

Die Problematik der Abgrenzung zwischen medizinisch erklärbaren und nicht erklärbaren Symptomen ist nicht zu unterschätzen. Die Interpretation medizinischer Befunde ist in vielen Fällen vom spezifischen Fachwissen, der Erfahrung und der speziellen Bewertung des Arztes abhängig. Zudem wird der Grenzbereich des medizinisch Erklärbaren durch neue Forschungsergebnisse laufend verändert und erweitert. In der Praxis bewährt es sich, von somatoformen Symptomen dann auszugehen, wenn die Beschwerden nicht (ausreichend) als Bestandteil einer gegenwärtig in der Medizin bekannten und allgemein anerkannten organischen Krankheit angesehen werden können.

Handelt es sich tatsächlich um ein krankheitswertiges Symptom und nicht um eine bloße Bagatellerscheinung?

Körperliche Missempfindungen und harmlose Alltagsbeschwerden treten bei jedem Menschen auf und führen nicht unbedingt zu einer somatoformen Störung. Eine klare Grenzlinie zwischen Bagatellund krankheitswertigen körperlichen Symptomen wird durch die Klassifikationssysteme leider nicht vorgegeben. In der Praxis hat es sich bewährt, von einem störungsrelevanten Symptom dann auszugehen, wenn mindestens eines der drei folgenden Merkmale vorliegt: (1) Die Person hat wegen des betreffenden Symptoms einen Arzt konsultiert; (2) sie hat deswegen Medikamente eingenommen; (3) sie hat deswegen Teile ihres Lebensstils geändert.

Handelt es sich um ein Symptom, das als Teil einer anderen psychischen Störung anzusehen ist?

Es herrscht weitgehend Konsens, dass körperliche Symptome nicht als Bestandteile einer eigenständigen somatoformen Störung betrachtet werden sollten, wenn sie ausschließlich im Verlauf einer anderen psychischen Störung auftreten. Beispiele sind Erschöpfungszustände oder Verdauungsbeschwerden, die im Zeitverlauf und im Ausprägungsgrad eindeutig an das Auftreten einer depressiven Störung gekoppelt sind, d. h. außerhalb depressiver Episoden nicht auftreten. Körperliche Symptome ohne organmedizinischen Hintergrund können auch bei den diversen Angststörungen vorkommen. Treten z. B. Symptome wie Herzrasen oder Schweißausbrüche nur während Panikattacken oder bei phobischen Reaktionen auf, so sind sie nicht als Teile einer somatoformen Störung zu werten.

2.2 Diagnosen somatoformer Störungen

„Somatoforme Störung“ ist ein Oberbegriff für eine Gruppe von verwandten Diagnosen (vgl. Tabelle 2). Diese Diagnosen beziehen sich auf einige spezielle und voneinander gut abgrenzbare Störungsbilder. Grob lassen sie sich in polyund monosymptomatische Störungsbilder unterteilen. Bei polysymptomatischen Störungen sind multiple körperliche Symptome aus unterschiedlichen Körperregionen und Organsystemen vorhanden, während monosymptomatische Störungen auf einen bestimmten Symptomtypus begrenzt sind (z. B. ausschließlich Schmerzoder gastrointestinale Symptome). Im Folgenden werden die einzelnen Diagnosen kurz charakterisiert (die genauen Kriterien können in den Klassifikationssystemen oder Forschungsdefinitionen nachgeschlagen werden; weiterführende Hinweise finden sich auch in den störungsbezogenen Kapiteln dieser Leitlinie).

Funktionelle Syndrome oder Störungen sind im DSM-IV und im Kapitel der psychischen und Verhaltensstörungen der ICD-10 nicht definiert. Dort können sie entweder einer der spezifischen Kategorien somatoformer Störungen oder der Restkategorie („nicht näher bezeichnet“) zugeordnet werden. In der somatischen Medizin werden funktionelle Syndrome vielfach mit einer ICD-10-Diagnose aus einem anderen Kapitel als dem der psychischen Störungen kodiert (z. B. K59, Sonstige funktionelle Darmstörungen).

Zusätzlich zu den somatoformen Störungen nach DSM-IV bzw. ICD-10 werden nachfolgend häufige funktionelle Syndrome charakterisiert.
Inhaltsverzeichnis7
Teil A: Allgemeine Charakterisierung und Diagnostik:1 Anwendungsbereich, Ziele und Methodender Psychotherapieleitlinie13
1.1 Hintergrund, Ziele und Zielgruppen der Leitlinie13
1.2 Methoden: Vorgehen und Bewertungskriterien15
2 Die Störungsbilder19
2.1 Symptome somatoformer Störungen19
2.2 Diagnosen somatoformer Störungen22
2.2.1 Polysymptomatische Störungen23
2.2.2 Monosymptomatische Störungen24
2.2.3 Hypochondrische Störung25
2.2.4 Was bringt das DSM-5?25
2.3 Differenzialdiagnostische Abgrenzung zu anderen Störungen mit körperlichen Symptomen26
2.4 Epidemiologische Befunde27
2.5 Krankheitsverlauf29
3 Empfehlungen zur Diagnostik30
3.1 Diagnosestellung31
3.2 Fragebogenverfahren zur erweiterten Diagnostik31
3.3 Indikationen zur Psychotherapie34
Teil B: Spezifische Psychotherapie der somatoformen Störungen und assoziierter Syndrome: 4 Somatisierungsstörung und undifferenzierte Somatisierungsstörung mit multiplen Körperbeschwerden36
4.1 Störungsbild und Klassifikation36
4.2 Störungsmodell und psychotherapierelevanteErklärungskonzepte37
4.3 Psychotherapieansätze bei Somatisierungsstörung und multiplensomatoformen Beschwerden39
4.3.1 Kognitive Verhaltenstherapie39
4.3.2 Psychodynamisch-Interpersonelle Psychotherapie41
4.3.3 Andere psychotherapeutische Ansätze42
4.3.4 Psychosoziale Behandlungsansätze aus demhausärztlichen Bereich42
4.4 Effektivität der Psychotherapie bei Somatisierungsstörung und multiplen somatoformen Beschwerden45
4.4.1 Kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren45
4.4.2 Psychodynamisch-Interpersonelle Psychotherapie47
4.4.3 Weitere Psychotherapieverfahren48
4.4.4 Psychosoziale Interventionen für die hausärztliche Versorgung48
4.5 Empfehlungen51
4.6 Zusammenfassende Bewertung52
5 Hypochondrie8
5.1 Störungsbild und Klassifikation8
5.2 Störungsmodell und psychotherapierelevante Erklärungskonzepte8
5.3 Psychotherapieansätze bei Hypochondrie8
5.3.1 Kognitive Verhaltenstherapie8
5.3.2 Psychodynamische Psychotherapie8
5.3.3 Interpersonelle Psychotherapie8
5.4 Effektivität der Psychotherapie bei Hypochondrie8
5.4.1 Kognitiv-verhaltenstherapeutische Psychoedukation8
5.4.2 Kognitiv-verhaltenstherapeutische Psychotherapie8
5.4.3 Psychodynamische Kurzzeittherapie und psychoanalytischeTherapie8
5.4.4 Andere Psychotherapien