: Veit Bronnenmeyer
: Russische Seelen Albach und Müller: Der erste Fall - Frankenkrimi
: ars vivendi
: 9783869133157
: Albach und Müller
: 1
: CHF 8.70
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Toter liegt im Wald, nur notdürftig verscharrt. Wer er ist, weiß niemand, nur woher er kommt: Russland. Haargenau wie bei einem nie aufgeklärten Mord, der vor 17 Jahren an derselben Stelle passierte. Doch das macht den Fall auch nicht einfacher. Kommissar Alfred Albach und seine junge türkische Kollegin Renan stoßen in der russischen Bevölkerung Nürnbergs auf eine Mauer des Schweigens. Schließlich schaltet Albach seinen inzwischen pensionierten und reichlich schrulligen Kollegen Konrad Herbst aus Fürth ein, mit dem er schon im ersten Russenmordfall ermittelt hatte. Der alte Sonderling macht sich an die Arbeit, und endlich gibt es eine Spur: Ein sowjetisches Abzeichen, auf dem ein Auge abgebildet ist, weist in Richtung KGB.

Veit Bronnenmeyer, geboren 1973 in Kulmbach, ist im Schul- und Bildungsreferat der Stadt Fürth tätig. Bei ars vivendi erschienen bereits seine Kriminalromane 'Russische Seelen', 'Zerfall', 'Stadtgrenze' und 'Gesünder sterben'. 2009 wurde er mit dem Agatha-Christie-Krimipreis ausgezeichnet.

 

I. 1985 – Ein Nebenfluss der Weichsel?

Pfeifenrauch quoll in trägen Schwaden nach oben und bewegte sich unter der Decke in einem unförmigen Orbit um die Lampe. Zigarettenrauch stieg von der anderen Seite auf und bildete die Ausläufer des Spiralnebels. Etwas frische Luft hätte der Amtsstube gut getan. Auch die eine oder andere Grünpflanze auf dem Fensterbrett oder einem der Aktenschränke. In dem Raum befanden sich zwei Männer, die beide hart mit ihren Dienstpflichten zu kämpfen hatten. Der Jüngere hämmerte auf eine dunkelgrüne Triumph-Adler ein, die auf einem in Ehren angestaubten Resopal-Schreibtisch stand. Der Ältere hatte das Eichendekor seines Arbeitsplatzes mit einer Tageszeitung bedeckt und brütete über der Rätselseite. In der Ecke stand ein Beistelltisch, auf dem eine Kaffeemaschine brodelte, und das Kofferradio auf dem niedrigen Regal daneben spielte aktuelle Unterhaltungsmusik.

»Atlantis is calling – SOS for love«, kreischte es aus dem kleinen Lautsprecher.

»Atlantis«, murmelte Herbst, die Pfeife im Mundwinkel, »mythischer Kontinent. Passt.«

»Das ist gerade der letzte Schrei«, sagte Alfred von seiner Schreibmaschine aufblickend. »Modern Talking. Letzte Woche musste ich meinem Sohn die Platte kaufen.«

»Atlantis is calling from the stars above …«

»Immer diese englische Singerei …«, brummte Herbst. »Nelkengewächs, Vogelkraut … wo doch die deutsche Sprache so schön ist. Und es gibt so viele Wörter.«

 

Alfred lenkte seine Gedanken wieder zurück auf den Bericht. Er fragte sich ein Mal mehr, ob es richtig war, die Ermittlungen aufgrund fehlender Indizien und nicht erfolgter Identifizierung des Toten vorläufig einzustellen, und ob sie tatsächlich alles Mögliche und Unmögliche versucht hatten, um den Mörder zu finden. Wenn das Opfer wirklich ein Osteuropäer war, konnte in absehbarer Zeit tatsächlich nicht mit neuen Hinweisen gerechnet werden. Andererseits gab es keine Verjährungsfrist für Mord, und ungelöste Mordfälle blieben manchmal Jahrzehnte bei der Staatsanwaltschaft auf Wiedervorlage … Warum war es in der heutigen Zeit immer noch möglich, dass ein Toter so völlig unbekannt blieb? Warum empfand er so etwas als Miss­erfolg? Und warum gab es noch kein Tipp-Ex, das die zwei Durchschläge gleich mit korrigierte?

»Die basteln jetzt schon an Schreibmaschinen, wo man eine ganze Seite im Voraus tippen und dann noch einmal korrigieren kann, bevor sie geschrieben wird«, sagte Herbst, als er sah, wie Alfred sich mit dem kleinen weißen Papierstreifen abmühte.

»Du wirst es kaum für möglich halten, aber es gibt auch Computer«, entgegnete Alfred, »mit denen kann man hundert Seiten schreiben, immer wieder korrigieren und dann ausdrucken, sooft man will.«

»Ja, ja«, Herbst stopfte seine Pfeife nach und nichts in seinem Gesichtsausdruck ließ erahnen, was er dachte.

»Was meinst du?«, fragte Alfred, »haben wir die Ermittlungen aufgegeben oder bis auf weiteres eingestellt?«

»›Jetzt bringt den Russen endlich unter die Erde‹«, zitierte Herbst, »das waren