: Boika Asiowa
: Nellie Evert, Roumen Evert
: Die unfruchtbare Witwe Roman
: Dittrich Verlag
: 9783943941340
: 1
: CHF 11.70
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: Erzählende Literatur
: German
: 330
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Geschichte spielt in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in einer Kleinstadt im Piringebirge in Südwestbulgarien. Nachdem ihr Mann an der nahen Vardar-Front gefallen ist, wird die junge Witwe Wranitsa von ihrer Schwiegermutter aus dem Haus gejagt, weil sie ihr keinen Enkel schenken konnte. Wranitsa verliebt sich in den Albaner Adem, der in dem Ort eine Art Konditorei führt, und wird von ihm schwanger. Bevor sie ihm sagen kann, dass sie ein Kind von ihm erwartet, ist Adem gezwungen in seine Heimat zurückzukehren, um eine Blutschuld zu zahlen, deretwegen er zwanzig Jahre vorher nach Bulgarien geflüchtet war. Zwar wird er in Albanien nicht getötet, aber ob er zu Wranitsa zurückkehrt, bleibt angesichts der Tatsache, dass er in der Heimat eine Frau mit inzwischen erwachsenem Sohn hat, offen. Die nicht mehr unfruchtbare Witwe wird von ihrer Schwiegermutter wieder aufgenommen. Boika Asiowas Roman porträtiert im Mikrokosmos einer bulgarischen Kleinstadt den Makrokosmos des Balkan. Mit ihren einfühlsamen Beschreibungen von Bulgaren, Türken, Pomaken (muslimischen Bulgaren) und Albanern zeichnet sie ein Bild einer multiethnischen Gesellschaft, die in Frieden, wenn nicht notwendigerweise Harmonie, zusammenlebt und zusammen leidet.

Geboren 1945 in Raslog. Obwohl von Beruf eigentlich Chemikerin, verdiente sie ihren Lebensunterhalt in erster Linie mit Schreiben, darunter als Journalistin bei der Tageszeitung 'Semja'. Seit Boika Asiowa 1985 mit 'Das gute Wort' als Buchautorin debütierte, hat sie acht Bände mit Kurzgeschichten veröffentlicht. 'Die unfruchtbare Witwe' erschien 2007 und ist ihr erster Roman.

Rabiye und ihre Religionen


Im Elternhaus Mušas oder Rabiyes, wie die meisten sie nannten, hatten sie längst den Altar vernachlässigt. Sie hörten auf, Öl ins ewige Licht zu schütten. Sie hörten auf, Kerzen für Gesundheit und für ein helles Andenken an die verstorbenen Verwandten anzuzünden. Sie tauschten diese ganze Ordnung gegen einen Vortrag am Samstag und das Singen im Chor mit dem Prediger von Gračen. Er kam aus dem Nachbarstädtchen, wo sie zuerst die protestantische Religion angenommen hatten, die vor Jahrhunderten den Ärmelkanal von England zum Kontinent hin überquert hatte, dann über den Atlantik geflogen war, um in Amerika Wurzeln zu schlagen. Das war noch bevor den Leuten die Geschichte von Miss Elena Stone zu Ohren kam. Als sie sich auf den Weg machte, das leidgeprüfte Makedonien zu bereisen, um in dem noch von den Türken unterdrückten Land den Glauben ihrer Kirche zu predigen, geriet sie in einen Hinterhalt. Beim Podprenfels am Gradevskafluß, genau dort, wo der Weg nach Gorna Džumaja von Predel herunterkommt in Richtung des Weilers Baba Cveta, erwarteten die Woiwoden Jane Sandanski und Christo Černopeev mit ihren Gesellen die Missionarin und ihre Mitreisenden. Goldstücke brauchten sie, die Rebellen. Sie brauchten sie, um Waffen für ihre Sache zu kaufen. Als er in der Klemme wegen des Geldes war, beschloss der König von Pirin, vom amerikanische Konsulat in Konstantinopel Lösegeld für die Freiheit von Miss Elena Stone zu fordern.

Aber bei den Račovs, im Elternhaus von Rabiyes Mutter, hatten sie auch schon vor besagter Geschichte mit Miss Stone der hiesigen Kirche den Rücken gekehrt. Warum die Vorfahren diesen Entschluss gefasst hatten, darüber wurde in der Familie nicht gesprochen. Alle zählten sich schon längst zu den Protestanten und folgten den Regeln dieser übernommenen Religion. Das hinderte Rabiye aber nicht daran, am Samstag dem Clavecin von Frau Jordana im Hause Tulilov zu lauschen, dessen Erdgeschoß den evangelischen Pilgern Obdach gewährte, und sonntags im Kirchenchor der Kirche »Mariä Verkündigung« zu singen. Rabiye hielt es nicht für eine Sünde, dass sie auf verschiedene Art und Weise e