: Michael Tischinger
: Jeder Tag ist ein geschenktes Leben Schritte der Achtsamkeit
: Kreuz
: 9783451800047
: 1
: CHF 8.00
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: Lebensführung, Persönliche Entwicklung
: German
: 176
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die vier Dimensionen der Achtsamkeit leben: auf die Weisheit des Körpers hören, die eigenen Gefühle und Gedanken wahrnehmen, die Beziehung zu anderen Menschen klären, sich spirituell verorten. Der Arzt, Therapeut und Theologe Michael Tischinger zeigt an vielen praktischen Übungen, wie dies ganz einfach und konkret im Alltag gelingt: jeden Tag. Jetzt.

Dr. med. Michael Tischinger (1967-2020) war Chefarzt der Adula Klinik Oberstdorf, Facharzt für Psychosomatische Medizin, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Diplom Theologe, Lehrtherapeut in tiefenpsychologischer Psychotherapie, Supervisor und Dozent. Außerdem war er ausgebildeter Paar- und Familientherapeut und zertifizierter MBSR-Lehrer.

Einleitung


Dem Thema»Achtsamkeit« kommt inzwischen in der Psychotherapie eine große Aufmerksamkeit zu. In Fachkreisen wird gar von einer»Achtsamkeitswelle« gesprochen. Insbesondere hat der Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn mit seinem Stressbewältigungsprogramm MBSR (Mindfulness based stress reduction) international viel Beachtung gefunden. Dieses Programm umfasst verschiedeneÜbungselemente, wie achtsame Körperwahrnehmung, Yoga, Sitz- und Gehmeditation. Bei all diesenÜbungen steht immer das wertungsfreie Wahrnehmen dessen, was sich gerade zeigt, im Vordergrund. Mittlerweile gibt es wissenschaftlichüberprüfbare Nachweise, dass die Praxis der Achtsamkeit nicht nur vorbeugend, sondern auch bei zahlreichen Erkrankungen, wie z. B. Angststörungen, Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, stressbedingten Beschwerden, Krebserkrankungen, Hauterkrankungen heilend wirkt und zur Verbesserung des seelischen und körperlichen Allgemeinbefindens sowie zur Verbesserung der Lebensqualität beiträgt.

Das Thema»Achtsamkeit« darf jedoch nicht auf eine Technik reduziert werden, mit der man eben lernen kann, sich zu entspannen, um mit Alltagsbelastungen besser umzugehen.

Achtsamkeit gilt in allen großen Weltreligionen als eine der Kerntugenden. Mit einer Tugend ist mehr eine innere Haltung, eine Lebenseinstellung, als eine bloße Methode gemeint.

Eine achtsame Lebenshaltung hilft uns, im gegenwärtigen Moment wirklich präsent zu sein, mit uns selbst gut verbunden zu sein und wertschätzend mit uns selbst, anderen Menschen und dem Geschenk des Lebens umzugehen. Achtsamkeit ist wie ein Schlüssel zu einem bewussten, freudvollen Dasein. Diesen Schlüssel haben wir selbst in der Hand. In uns allen ist die Befähigung zur Achtsamkeit angelegt.

Achtsamkeit im ganzheitlichen Sinne meint aber nicht nur bloße Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit bedeutet, mit unseren fünf Sinnen Duft, Klang, Geschmack, Form und Farbe wahrzunehmen. Wenn wir aufmerksam sind, bemerken wir, was im Außen um uns herum geschieht. Dies ist die Voraussetzung, dass wir uns einer Erfahrung bewusst werden können. Ganzheitliche Achtsamkeit heißt aber, nicht nur im Außen etwas wahrzunehmen, sondern auch nach innen zu gehen. Nach innen gehen meint, gut mit mir selbst verbunden zu sein. Mich erinnern, was mir guttut, was mir hilft, was ich gerade benötige. Mitzubekommen, was eineäußere Situation in mir auslöst. Mitzubekommen, wie es mir in dem jeweiligen Moment ergeht und wie ich damit umgehen möchte. Aus der Wahr-nehmung eine»Wahrgebung« zu machen: Was nehme ich wahr? Was kann es bedeuten? Wie will ich darauf antworten?

Achtsamkeit bedeutet, sich seiner selbst bewusst zu sein und ermöglicht somit eine gesunde Form von Selbstbewusstsein. Achtsamkeit ist als eine Geistes- und Bewusstseinsschulung zu verstehen, die hilft, das Leben selbstbewusster, d. h. mit mehr Bewusstseinüber sich selbst zu gestalten. Wer zu sehr im Außen orientiert ist und zu wenig im Kontakt mit seinem Selbst, seinen eigenen Bedürfnissen und Gefühlen ist, kann dadurch in Konflikte geraten und krank werden.

In meiner Arbeit mit Patientinnen und Patienten der Adula Klinik, einer psychosomatischen Fachklinik in Oberstdorf, begegne ich immer wieder Menschen, die von sich sagen, dass sie es an Achtsamkeit haben mangeln lassen und dadurch in schwere Krisen oder Krankheiten geraten sind.

Da ist stellvertretend für viele andere der Manager Anfang 50, derüber die Entstehung seines Burnouts sagt:»Ich bin jahrelang auf meinem Körper herumgetrampelt. Ich habe mich und meine Bedürfnisse gar nicht mehr gespürt, habe mein Beziehungsleben vernachlässigt und meinen Sinn im Leben verloren.«

Mangelnde Achtsamkeit für eigene Bedürfnisse und eigene Grenzen ist der zentrale Punkt in der Entstehung eines Burnouts. Der Begriff»Burnout«,»Ausgebrannt sein«, lässt an ein ausgebranntes Feuer denken und stellt damit ein archaisches Bild zur Verfügung, um die tiefgreifende, seelische und körperliche Erschöpfung, die damit gemeint ist, zu verdeutlichen.

Feuer gehört wie Wasser, Luft und Erde zu den Grundelementen des Lebens. Feuer unterscheidet sich jedoch von den anderen Elementen in einem ganz wesentlichen Punkt:

Blicken wir in die Natur, so finden wir die Elemente Wasser, Luft und Erde imÜbermaß. Nicht so das Feuer: Um Feuer entstehen zu lassen, braucht es unser aktives Zutun. Um ein Feuer am Leben zu erhalten, bedarf es unserer Achtsamkeit, damit der Prozess des