: Beate Dölling
: Wolfgang Büscher, Bernd Siggelkow
: Du bist sowas von raus! Echte Geschichten aus der Arche
: Gabriel Verlag
: 9783522630412
: 1
: CHF 12.60
:
: Jugendbücher ab 12 Jahre
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit interessantem Zusatzmaterial: einem Interview mit der Autorin Beate Dölling zur Entstehung des Buches und Informationen über das Kinder- und Jugendwerk 'Die Arche'.

Beate Dölling, 1961 in Osnabrück geboren, sprudelt vor Ideen und macht immer fünf Dinge gleichzeitig. So ist es ganz normal, dass sie als Rundfunkjournalistin, als Rezensentin für Zeitungen und Zeitschriften und als Dozentin an der Volkshochschule tätig ist. Nebenher leitet sie Schreibwerkstätten, wurde mehrfach mit Literaturstipendien ausgezeichnet und schreibt Kinder- und Jugendbücher. Ihre Themen sind aus dem Alltag gegriffen und zum Schreiben braucht sie Leben um sich: Ob zuhause mit ihrer Tochter, im Zug oder Café. 'Wenn mich ein Text drängt, kann ich überall anfangen zu arbeiten und in jeder Atmosphäre', erzählt sie. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

23:50 Uhr, der Mond scheint. Lilly steht vor der Haustür. Gut, dass sie nicht so eine Mutter hat wie Bille, die kontrolliert, wann man nach Hause kommt. Mama macht da keinen Stress. Lilly kann auch unter der Woche so lange wegbleiben, wie sie will.

Das Klingelschild ist frisch übersprüht, diesmal in Rot. Sie steckt den Schlüssel ins Schloss, die Tür geht auf.

Dauert mal wieder ewig, bis der Fahrstuhl kommt. Im Treppenhaus Fernsehstimmen, sonst ist es still, niemand brüllt herum, niemand knallt eine Tür, kein Kindergeschrei. Die letzten Meter stottert der Fahrstuhl. Das erinnert sie an Thorben, aus ihrer Klasse. Der stottert auch. Wenn sie den nachäfft, wird er ganz rot und kann gar nicht mehr sprechen. Voll witzig.

Im Fahrstuhl riecht es nach Urin und Pommes. Kann auch Pizza sein. Fettig halt. Irgendwas aus dem Ofen. Letztens hat sie auch in den Fahrstuhl gepinkelt. Nicht aus Not, nur so aus Spaß, sie war das einzige Mädchen. Mief und Struzzi und noch zwei Kumpels waren dabei und haben sich schiefgelacht. Sie hat im Stehen gepinkelt, wie die Jungs, einfach ihre kurze Hose und die Unterhose ein bisschen zur Seite geschoben. Sogar einen Bogen hat sie hingekriegt, bis an die Tür. Da staunten die Jungs aber. Der Kumpel von Struzzi wollte dann bei ihr mal anfassen, da wo der Strahl rauskam, aber sie lässt sich doch nicht von dem befummeln! Was denkt der sich denn! Ist der blöd, oder was?

 

Schade, dass man die Fahrstuhltür nicht zuknallen kann. Das würde jetzt schön durchs Haus hallen. Sollen ruhig alle hören, dass sie kommt.

Mama trifft sie schon im Flur. Nanu?

»Hallo mein Schatz!« Mama ist total gestylt, hat glasige Augen und Besuch. Herrenbesuch, sonst würde sie nicht so strahlen, sondern längst auf dem Sofa liegen und ratzen, mit vollem Aschenbecher vor sich auf dem Boden. Morgens stolpert sie dann drüber und kickt die Kippen bis unters Sofa. Da liegen sie dann bis zum Sankt Nimmerleinstag. Das ganze Sofa riecht nach kalter Asche.

»Dit is meine Große«, ruft Mama ins Wohnzimmer und bläst Rauch knapp an ihrem Gesicht vorbei. »Nu jeh ma hin und sach Hallo«, flüstert Mama ihr zu und fängt an zu husten. Sie muss meistens husten, wenn sie leise spricht. Rumbrüllen reinigt die Lunge.

Meine Große! – Das hat sich ein bisschen stolz angehört, wie Mama das gesagt hat. Lilly rührt sich nicht. Möchte es noch mal hören: »Schatz« oder »Große«.

Mama hat sich voll geschminkt. Blauer Lidschatten, Wimperntusche, roter Lippenstift, jede Menge Make-up, was ihr schon am weißen Kragen klebt. Wo hat sie überhaupt die weiße Bluse her, und dann noch gebügelt? Sie haben nicht mal ein Bügeleisen. Die Haare sehen auch ganz anders aus, hochgesteckt und lockig. Sowas kriegt sie nie allein hin. War sie etwa beim Frisör?

»Nu jeh endlich ins Wohnzimmer und sach Hallo!«

Warum ist sie denn so ungeduldig? Mama wischt ihr mit dem Daumen was von der Wange. Lilly zieht den Kopf weg. Mama checkt kurz, was sie anhat, und sagt, sie könne die Schuhe ruhig anlassen. Sie weiß ja, dass Lilly zwei verschiedene Socken trägt, mit Löchern. Lilly hat überhaupt keine Socken, die zusammenpassen. Stört Mama doch sonst auch nicht.

»Wolfgang, bleib da, sie kommt gleich!«, ruft sie laut ins Wohnzimmer und kichert. Lilly schätzt, dass sie mindestens schon eine Flasch