: Andreas Hock
: Like mich am Arsch Wie unsere Gesellschaft durch Smartphones, Computerspiele und soziale Netzwerke vereinsamt und verblödet
: riva Verlag
: 9783864134074
: 1
: CHF 10.70
:
: Gesellschaft
: German
: 200
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Seit der Erfindung des Taschenrechners haben wir unser Gehirn immer weiter entmündigt. Heute überlassen wir unser ganzes Leben dem digitalen Fortschritt! Wir bezahlen mit dem Smartphone, kaufen uns virtuelle Freunde bei Facebook, bejubeln talentfreie Nichtskönner auf Youtube und folgen mitteilungsbedürftigen Idioten auf Twitter. Doch je mehr Informationen wir ins unendliche Daten-Universum blasen, desto dümmer werden wir dabei. Und umso gefährlicher wird es für uns alle! Bis über den Tod hinaus ... Andreas Hocks Blick auf die Digitalisierung unserer Gesellschaft ist witzig, erschreckend, bitterböse. Und garantiert analog!

Andreas Hock, Jahrgang 1974, schreibt seit 15 Jahren für verschiedene Zeitungen und Magazine. Als Parteisprecher bekam er tiefe Einblicke ins Innenleben der Politik. Von 2007 bis 2011 war er bei der AZ Nürnberg einer der jüngsten Chefredakteure Deutschlands. Heute arbeitet er als freier Journalist, Ghostwriter und Autor.

Am Anfang war der Taschenrechner


 


Wie die digitale Technik unser Gehirn immer mehr entmündigt


Die Geschichte des Menschen ist die Geschichte steten intellektuellen Aufstiegs. Anfangs lebten wir in Höhlen und gingen, wenn der Hunger irgendwann zu groß wurde, auf die Jagd. Dabei hatten nur die Intelligentesten unter unsüberhauptÜberlebenschancen. Wer zu blöd war, drohende Gefahren zu erkennen oder ausreichend Essen zu finden, der hatte eben Pech gehabt. Dieser aus evolutionsbiologischer Sicht sehr sinnvolle Selektionsdruck trennte fortan die nutzlosen Schwachköpfe von den allgemeindienlichen­Schlauen – und ermöglichte es unserem Gehirn, sich immer weiterzuent­wickeln. Wir entdeckten das Feuer und erfanden das Rad. Wir verließen die Höhlen und widmeten uns dem Ackerbau. Später bauten wir stabile Häuser, prunkvolle Schlösser und beeindruckende Staudämme. Manche von uns waren sogar noch klüger als die anderen, sie wurden Astronomen und Geologen und vermaßen die Erde und das All. Irgendwann waren sie sogar in der Lage, Maschinen zu konstruieren, die uns die schwere körperliche Arbeit erleichterten. Bald kamen andere Maschinen dazu, die fahren, schwimmen und fliegen konnten. Es war beeindruckend, wozu der menschliche Geist in der Lage war.

Dann kam der Casio Mini.

Es war 1972, als der japanische Elektronikkonzern den ersten erschwinglichen Taschenrechner auf den Markt brachte. Das Teil war zwar noch so groß wie eine Zigarrenschachtel, kostete umgerechnet stolze 80 Euro und konnte nicht viel mehr als Addieren und Subtrahieren. Aber es verkaufte sich weitüber zehn Millionen Mal – erst in Japan, dann in Amerika und schließlich in­Europa! Die Menschenüberall auf der Welt hatten offenbar keinen Bock mehr, ihre grauen Zellen mit so etwas Profanem wie Mathematik zu belästigen. Seitdem, man muss es leider so deutlich sagen, lässt der schöne Selektionsdruck deutlich nach. Mit dem menschlichen Durchschnittshirn geht es also wieder bergab!

Schon Jahre bevor moderne Computer in unsere Büros und in unser zu Hause einzogen, gewöhnten wir uns daran, dass die Technik uns das Rechnen abnahm. Und wenig später auch noch fast alles andere. Heute vertrauen wir unser ganzes Leben dem digitalen Fortschritt an– sieben Prozent von uns können nicht mehr mit Zahlen umgehen und zehn Prozent nicht richtig lesen! Wir kommunizierenüber SMS, Facebook oder Twitter und verlernen zu schreiben. Wir ziehen all unser Wissen aus dem Internet und geben diesem im Gegenzug die vertraulichsten Informationenüber uns selbst. Wir lassen zu, dass Algorithmen unser künftiges Verhalten berechnen, und bemerken nicht, wie wir von der Industrie manipuliert werden. Wir bewegen uns zwischen Computern, Smartphones und Clouds. Und während wir uns auf diese Weise seit 30, 40 Jahren um Kopf und Kragen entkultivieren, braut sich irgendwo da draußen ein ganz großes Unheil zusammen!

Der Casio Mini ist natürlich nicht die alleinige Ursache unserer kollektiven gesellschaftlichen Verblödung. Aber durchaus einer der Wegbereiter. Denn unser Gehirn ist mittlerweile vollständig darauf eingestellt, den lästigen Teil der Arbeit möglichst outzusourcen. Dieser Prozess fängt verdammt früh an: Schon für sechs Monate alte Babys gibt es eigens entwickelte Computerprogramme! Die Kleinstkinder sollen damit unterschiedliche Farben und Formen erkennen. Der Haken daran ist nur: Reines Zuschauen an einem Monitor kann neurologisch gesehen in diesem Alter gar nicht mit einem Lernerfolg verbunden sein. Babys erforschen die Welt viel besser und nachhaltiger durch Tasten oder Greifen. Doch so etwas Altmodisches wie bunte Holzklötzchen sind für die Eltern dieser bedauernswerten Geschöpfe einfach nicht cool genug. Außerdem gibt’s von Apple leider noch keine iRassel.

Ungefähr zu der Zeit, als Casio seine digitalen Wunderwerke für den Hausgebrauch auf den Markt brachte, neben dem Taschenrechner auch noch die erste Digitaluhr, gelang es einer Firma namens Intel, erstmals einen Mikroprozessor in Serie herzustellen. Zuvor wurden die Hersteller der bis dato gemeinhin gigantischen Datenverarbeitungsapparate wie IBM, Hewlett-Packard oder Nixdorf selbst von vielen Wissenschaftlern belächelt. Die Kosten von umgerechnet einem durchschnittlichen Bruttojahresgehalt und mehr pro Gerät standen kaum in einer Relation zum Nutzen. Das, was zum Beispiel der HP 9100A konnte, machte jeder Kaufmannslehrling nach ein paar Monaten Ausbildung in der Buchhaltung besser. Doch die plötzlich so winzigen Prozessoren veränderten alles! Binnen weniger Jahre explodierte die Leistungsfähigkeit der Chips. Das Computerzeitalter hatte endgültig begonnen.

Anfangs wurden die neuartigen EDV-Maschinen nur in Büros und Rech