In Mechenbach und Perugia
Dario zündete sich eine Zigarette an und starrte zum Fenster hinaus. Er gehörte nicht zu den Menschen, die lange über einen Fehler nachdenken, aber das hier –mamma mia –, das war einer gewesen.
Zu Hause, in Perugia, blickte er von seiner Dachterrasse auf das mittelalterliche Gewimmel charaktervoller Häuser, auf filigrane Marmorsäulen, auf den heiteren Platz vor dem Palazzo dei Priori und auf den schönsten Brunnen der Welt.
Den Ausblick dieser Dachwohnung in der Via Calderini hatte er gegen die Ansicht des Bahnhofsvorplatzes von Mechenbach getauscht. Und nicht nur das. Wenn hier jemand hupte, meinte er es ernst. Alles war breiter, die Kaffeetassen, die Menschen, die Schuhe. Das Wetter und die Mädchen waren kühler. Niemand flanierte abends zur »Passeggiata« in seinen besten Kleidern über den Mechenbacher Marktplatz. Niemand umkreiste ihn lachend und kreischend auf seiner Vespa: »Ehi, Dario, come stai?« Und die holländischen Tomaten, die er hier in Mechenbach mit Basilikum und Mozzarella servierte, schmeckten vermutlich wie feuchtrosa Schwammtuch. Er rührte sie nicht an.
Unter seinen Kunden liebte er besonders einige deutsche Frohnaturen, die sich welterfahren und weitgereist gaben: »He, Sinjore, die Tackliatelle al dente un avanti, klar?«
Aber wie überall, es gab auch andere. Seine Nachbarin Frau Siegel, zum Beispiel. Und deren rechte Hand Leni Schmitz. Darios Onkel bestand auf frischen Blumen für sein Lokal, und deshalb hatte Dario die Aufgabe, alle paar Tage Tulpen, Chrysanthemen oder sonstige Saisonblüten in Frau Siegels Blumenladen abzuholen.
Dario lächelte sein spezielles Lächeln, mit dem sogar im verregneten Mechenbach unmittelbar die Sonne aufging. Er erkundigte sich nach dem Namen jeder einzelnen Schnittblume, lobte Adelheid Siegels Haarfarbe, befühlte mit Kennermiene Lenis indianische Türkisohrringe, von denen sie etwa siebzig Modelle besaß, und hatte bereits nach dem ersten Besuch Freundinnen fürs Leben gewonnen. Dario war jetzt seit acht Wochen hier, hatte einige ländliche Herzen gebrochen, seinen halben Lohn nach Italien vertelefoniert und konnte sich kaum verzeihen, dass er zu faul gewesen war nachzuschauen, wo Mechenbach eigentlich lag.
»Na gut, wenn du unbedingt ins Ausland willst … dann gehst du eben nach Köln zu Enzo und Gianna, mein Junge«, hatte der Vater gesagt. »Einmal ist das gut der Sprache wegen – ja, ich weiß, du sprichst gut deutsch, aber dann kannst du später noch besser mit den vielen germanischen Touristen umgehen – außerdem sollte ein junger Mann, der in der Hotelbranche arbeitet, unbedingt Auslandserfahrungen haben.« Er machte eine große Geste. »Du bist hier in ein paar Jahren der Chef, vergiss das nicht.«
»Das hast du mir vor ein paar Jahren auch schon gesagt, Papa. Wahrscheinlich wirst du es mir in ein paar Jahren wieder sagen.«
Ettore Mazzini hob beide Hände und sagte mit gespieltem Bedauern: »Mit neunundzwanzig Jahren kann man noch kein Hotel leiten. Das ist zu jung. Viel zu jung. Geh mal nach Deutschland und lerne noch etwas. Wenn du wieder hier bist, sehen wir weiter.«
»Hier«, das war sein TraditionshotelStella di Pe