Erzherzog Otto–
Quecksilber gegen Syphilis
Erzherzog Otto wurde am 21. April 1865 als zweiter Sohn Erzherzog Karl Ludwigs und Maria Annunziatas von Bourbon-Sizilien in Graz geboren. Karl Ludwig war als jüngerer Bruder Kaiser Franz Josephs nach dem Tod des Kronprinzen 1889 zwar der Erste in der Thronfolge, dennoch wurde von Beginn an seinältester Sohn Franz Ferdinand als Thronfolger gehandelt. 1896 verstarb Karl Ludwig an einer Infektion, nachdem er auf einer Pilgerreise ins Heilige Land verseuchtes Jordanwasser getrunken hatte.
»Bolla«, wie Otto im Familienkreis genannt wurde, verlebte eine unbeschwerte Jugend, absolvierte die vorgegebene militärische Laufbahn und lebte ab 1885 als Offizier des 8. Ulanenregiments in Klagenfurt. 1886 heiratete er die sächsische Königstochter Maria Josefa, nachdem seinälterer Bruder Franz Ferdinand sich geweigert hatte, die in seinen Augen unattraktive Prinzessin zu ehelichen. Um die peinliche Situation, die Franz Ferdinand mit seiner Weigerung heraufbeschworen hatte, zu entschärfen, wurde Otto, wie Erzherzog Leopold (später Leopold Wölfling) in seinen Memoiren schilderte,»… unter Alkohol gehalten, was ja nicht schwer zu erreichen war… und machte einen offiziellen Antrag, den Josefas Vater sofort annahm, womit er nicht mehr rückgängig zu machen war.«42
Otto lebte nun mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern in Klagenfurt, doch die Ehe der beiden verlief denkbar schlecht. Josefa war streng gläubig und fromm, der Erzherzog ein Lebemann und Frauenheld. Der»schöne Erzherzog«, wie der attraktive, charmante und lebenslustige Otto in Wien genannt wurde, sorgte für allerlei Skandale, einen davon verewigte Kaiserin Elisabeth sogar in einem ihrer Gedichte. Nachdem Otto im Zuge eines Trinkgelages Bilder des Kaiserpaares durchs Fenster in den Straßenmist geworfen hatte, zog er spät nächtens mit seinen betrunkenen Zechkumpanen zu seinem Haus und wollte in das Schlafzimmer seiner Frau eindringen, um seinen Freunden»eine Nonne« zu zeigen.
»In der Kneipe welch ein Toben,
Zechen und Pokalgeklirr!
Gibt das Beispiel doch von oben
Der Erzherzog-Offizier.
Tische, Stühle müssen springen
Und in tausend Trümmer geh’n
Gläser rings in Scherben klingen,
Alles auf dem Kopfe steh’n.
»Nun zum Schlusse sollst du auch fliegen,
Kaiser mir und Ohm zugleich,
mit der Frau Gemahlin liegen
In dem Dreck dort unten weich!«
Sagt’s, und beide Bilder flogen
Aus dem Fenster in den Kot
–wenn die Fama nicht gelogen–
zu des Bürgermeisters Not.
Doch hier endet nicht die Roheit
Der besoffnen Heldenschar;
»Folgt mir« ruft die trunkne Hoheit
»Reuen soll’s Euch nicht, fürwahr!
Führen will ich euch nachhause
In mein kaiserlich Quartier;
Und nach unserm guten Schmause
Seht Ihr Schönes noch bei mir!
Dort, im leichten Nachtgewande,
Liegt im großen Ehebett
Meine Frau vom Sachsenlande;
Und, auf Ehr’, sie ist ganz nett!«43
Skandale und Affären
Für einen Skandal sorgte auch Ottos Auftritt im Hotel Sacher, eine der ersten Adressen der Wiener Gesellschaft. Hier traf man sich nicht nur zum Tee oder zu politischen Gesprächen, sondern das Sacher war auch für seine Separées bekannt, in denen man ungestört mit der Dame seines Herzens dinieren oder soupieren konnte. Im Zuge eines Gelages erschien Otto eines Tages mit nichts anderem als einem Säbel bekleidet im Korridor des Hotels und erschreckte mit diesem freizügigen Auftritt die Gäste. Darunter befanden sich auch der britische Botschafter und seine Gemahlin, die dermaßen entsetztüber den Auftritt des Erzherzogs waren, dass der Botschafter zuerst im Außenministerium und beim Polizeipräsidenten eine offizielle Beschwerde einlegte. Nachdem er jedoch keine Reaktion erhielt, suchte er schließlich sogar um eine Audienz bei Kaiser Franz Joseph an und berichtete ihm den Vorfall. Franz Joseph verfügte einen zweimonatigen Arrest Ottos in einem oberösterreichischen Kloster. Eugen Ketterl, der Leibkammerdiener des Kaisers, hielt in seinen Memoiren fest, dass der erzwungene Aufenthalt des Erzherzogs im Kloster jedoch»nicht sehr tragisch« verlief, sondern nur der Wein-k