: Eva Jaeggi
: Alte Liebe rostet schön Was Paare zusammenhält
: Kreuz
: 9783451345838
: 1
: CHF 11.70
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: Lebensführung, Persönliche Entwicklung
: German
: 192
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gemeinsam glücklich älter werden - und sogar noch richtig alt - das ist ein Wunsch vieler Paare, die gemeinsam durchs Leben gehen. Oder die in späteren Jahren einen neuen Lebenspartner gefunden haben. Älterwerden hat den großen Vorteil, dass man sich über die eigenen Wünsche und Sehnsüchte klarer wird - und auch darüber, wie diese ins gemeinsame Leben zu holen sind. Ein neuer Blick aufs Alter von einer der großen Psychologinnen unserer Zeit.

Eva Jaeggi, Dr. phil., lehrte bis 2002 als Professorin für Psychotherapie und Klinische Psychologie an der Technischen Universität in Berlin. Sie ist Verhaltenstherapeutin, Psychoanalytikerin und Lehranalytikerin.

Weißt du noch?–
Die gemeinsame Welt


Die Soziologen P. Berger und Th. Luckmann (1969) haben in ihrem Buchüber die Konstruktion der Wirklichkeit sehr eindringlich beschrieben, wie Menschen sich in dialogischer Form die Ereignisse in ihrem Leben veranschaulichen: bewertend, pointierend, mit bestimmten wichtigen Zeichen versehend. Meist tauscht man sich im Gespräch aus, es kann aber auch nonverbale Zeichen geben– ein hämischer oder bewundernder Blick, die sorgenvoll gefurchte Stirn undÄhnliches. Inüberspitzter Form könnte man sagen, dass erst solche Zeichen den Ereignissen Bedeutung verleihen und auf diese Art eine gemeinsame»Welt« zwischen Menschen entsteht. Diese gemeinsam besprochenen oder auf andere Weise bewerteten Ereignisse lassen»Erlebnisse« entstehen. Aus sozusagen neutralen Fakten werden gemeinsame Erfahrungen, die man benennen und wieder hervorrufen kann. Nicht jedes einzelne Erlebnis ist immer bedeutungsvoll, aber die Summe von gemeinsamen Erlebnissen zwischen Menschen, die miteinander viel zu tun haben, lässt einen gemeinsamen Erfahrungsraum entstehen, der innere Verbindungen schafft. Das müssen nicht Paare sein, das gleiche gilt auch für Freunde, Arbeitskollegen oder alte Schulkollegen.

Berger und Luckmann erläutern dies beispielhaft am»Nach-der-Party-Gespräch«. Erst in der Nachbesprechung des Paares wird herausgearbeitet, welche Bedeutung die Bemerkung von Frau M. hatte, wie man die auffällig jugendliche Kleidung von Herrn L. beurteilen soll und ob die Kinder der K.’s nicht doch allzu brav seien. Das muss nicht immer in Eintracht geschehen, aber es werden die Kategorien herausgearbeitet, unter denen man Geschehnisse betrachten kann. Manches Paar wird sich nach der Party vor allem an der Kleidung der einzelnen Gäste orientieren, ein anderes an der Art und Weise, wie sich die Leute ins Gespräch brachten oder wie viel sie gegessen und getrunken haben.

Einander langjährig verbundene Paare entwickeln solche Kategorien und grenzen sich damit auch ein wenig ab von anderen Menschen. Es entsteht im Inneren eines Paares eine eigene»Welt«, in der man sich oft mit Andeutungen begnügen kann, wenn man einander etwas mitteilt, das unter anderen Umständen sehr viel mehr Worte bräuchte.»Na, heute war Liselotte wieder mal in ihrem Element«– das genügt um auszudrücken, dass Liselotte, eine begeisterte Anhängerin des Vegetariertums, die ihre Haltung zum Fleischessen immer mit viel Verve vertritt, sich heute wieder einmal sehr viel Raum genommen hat, um ihre Thesen auszubreiten, ja, dass einem dies wieder einmal auf die Nerven gegangen ist.

Das Leben eines Paares bestimmt sich auch dadurch, ob ein mehr oder weniger reichhaltiges Netz von Kategorien zur Beurteilung der gemeinsamen Welt entwickelt werden kann. Auch die Dominanz des einen oder anderen in dieser Beziehung wird hier sichtbar. Es gibt Paare, die sehr stark von den Kategorien des einen (der einen) geprägt sind, es gibt aber auch solche, die sich ihr System laufend neu und noch vielfältiger erarbeiten, indem sie alle Ereignisse gemeinsam besprechen.

Thomas und Angelika sind ein solches Paar, das sich redend und handelnd die Welt immer wieder neu erschließt. Sie arbeiten gemeinsam alsÄrzte auf dem Land und sind in vieler Hinsicht ein Herz und eine Seele– vor allem aber auch im dauernden Gespräch. Angelika sagte mir einmal, dass sie, wenn sie etwas alleine erlebe, sich immer schon darauf freue, dies mit Thomas besprechen zu können– es wäre für sie jedes Mal interessant zu hören, wie er eine Situation beurteile, im beruflichen wie im privaten Leben. Dass diese Dimension ihres Paarlebens auch zur gegenseitigen Liebe beiträgt, kann man verstehen.

Heinz und Irene allerdings sind nicht unbedingt ein Idealpaar, sie hatten und haben viele Probleme. Andere Partner(innen), fremdgehen, Geheimnisse– das alles nagt auch noch im Alter an ihrer Beziehung. Immer aber haben sie betont, dass sie es»interessant« fänden, miteinander zu sprechen. Sie teilen einander gerne ihre Beobachtungen mit, sie versuchen, Motive anderer Menschen zu begreifen, sie beurteilen gemeinsam die politische Lage und sind– wenn es gut geht– einander im Gespräch sehr zugetan.

Als eine ihrer tiefen Krisen (eine heiße Altersliebe von Heinz) beinahe zur Trennung führte, schildert Irene, wieso es nicht dazu gekommen ist. Ihre letzte gemeinsame R