1. Glück
JONAS BEDFORD-STROHM
Wer glaubt, wird selig. Stimmt das?
HEINRICH BEDFORD-STROHM
Nicht wie bei einem Kochrezept jedenfalls, wo man nur ein paar Zutaten zusammenmischt nach dem Motto: Ein bisschen Lukasevangelium, ein bisschen Paulusbrief, ein bisschen Altes Testament, dann ordentlich schütteln, und es kommt das Glück heraus. So funktioniert’s nicht! Aber ich bin in der Tat der Meinung, dass man anhand von vielen Einzelaspekten zeigen kann, dass Glaube ein erfülltes Leben ermöglicht.
Kann man im Umkehrschluss genauso sagen: Wer nicht glaubt, wird auch nicht selig?
Nein, ich glaube, das kann man nicht im Umkehrschluss so sagen. Ich würde theologisch sagen: Gott hat viele Möglichkeiten, den Menschen ein erfülltes Leben zu schenken. Aber gleichzeitig sage ich, dass der Weg, den ich kenne und der sich für mich bewährt hat, der Wegüber den christlichen Glauben ist. Man kann die Kraft dieses Weges anhand von Erkenntnissen der Glücksforscher sehr schön zeigen…
Bevor wir in die Details gehen: Kannst du kurz definieren, was Glück für dich heißt? Wir reden ja jetzt nicht von bloßer Ekstase und Euphorie, weil man gerade im Lotto gewonnen hat.
Glück heißt für mich, dass ich aus der Fülle leben darf und nicht aus der Knappheit leben muss. Glück heißt, dass ich einen inneren Frieden spüren darf und nicht aus der Angst leben muss. Glück heißt, dass ich nicht nur dann eine Basis für mein Leben habe, wenn die Dinge gut für mich laufen, sondern dass ich eine Basis habe, die auch in den schweren Zeiten tragfähig ist, wenn Leid in mein Leben kommt. Glück im umfassenden Sinne heißt eben, sich in guten wie in schweren Tagen getragen und geborgen fühlen zu dürfen.
Glück ist für dich also kein temporärer Zustand, sondern eher ein Gesamtkonzept?
Ja, ich glaube, beides ist ein Aspekt von Glück. Es gibt das Augenblicksglück, es gibt den Genuss, das Hochgefühl, und das ist auch etwas Wunderbares. Aus einer christlichen Perspektive sind das Hochgefühl, der Genuss und auch die Liebe ein Geschenk Gottes.
Gleichzeitig leben wir nicht nur aus dem Augenblicksglück. Genauso wichtig ist, dass dieses Augenblicksglück in einen Lebenshorizont eingebettet ist, der breiter ist als der Augenblick. Deswegen glaube ich, dass es auch ein Glück gibt, das einen ganzen Lebensbogen– gute und schlechte Zeiten– mit einschließen kann.
Wenn man Glück als Gesamtkonzept versteht: Wie erarbeitet man sich dieses Konzept von Glück? Hat der Glaube da eine Anleitung parat?
Vielleicht ist diese Frage in sich schon problematisch: Wieerarbeitet man sich ein Lebensglück? Die Frage setzt ja voraus, dass Glückmachbar sei und dass man, um es zu»machen«, nur eine bestimmte To-do-Liste abarbeiten müsse. Der Weg zum Glück ist nicht wie Cola kaufen am Getränkeautomaten, in den man zwei Euro wirft und unten dann das frisch gekühlte Glück in Empfang nimmt.
Glück, wie ich es verstehe, hat sehr viel mit Passivität zu tun. Es hat damit zu tun, dass ich offen durchs Leben gehe und das, was mir widerfährt, in einen bestimmten Verstehenshorizont integriere. Glück heißt eben auch, dass ich in einer bestimmten Weise mit dem umgehen kann, was ich nicht beeinflussen kann, was mir einfach widerfährt. Und genau da kommt für mich die Gottesbeziehung ins Spiel, in die ich das, was mir widerfährt, einordnen kann.
Es gibt dazu noch dieses Zitat aus der Dreigroschenoper:»Ja, renn’ nur nach dem Glück, doch renne nicht zu sehr, denn alle rennen nach dem Glück, das Glück rennt hinterher.« Heißt das, dass man sich, wenn man sich zu sehr anstrengt und kein Vertrauen hat, das Glück kaputt machen kann?
Ich glaube, dass das Zitat eine menschliche Tendenz sehr schön beschreibt: Wir meinen manchmal, dass Glück dadurch entsteht, dass wir uns anstrengen und bestimmte Dinge tun. Wir arbeiten sozusagen verbissen an unserem Glück. Aber auf diese Weise stehen wir dem Glück möglicherweise im Wege. Die christliche Perspektive setzt ganz anders an. Wir wollen natürlich unser Leben gestalten, wir sind natürlich aktiv und wollen etwas für unser Glück tun. Aber gleichzeitig wissen Christen, dass ihr Leben, ja, die ganze Welt in Gottes Hand liegen und nicht in ihrer. Wir Christen sehen uns im Horizont der liebenden Zuwendung Gottes. Das ist ein viel lebensnäherer Zugang, denn jeder Mensch kennt Situationen, in denen wir die Erfahrung machen, dass wir etwasnicht unter Kontrolle haben, dass wir einfach ohnmächtig sind. Krankheiten können zum Beispiel extreme Erfahrungen von Ohnmacht sein. Oder der Tod. Da sind wir völlig am Ende mit unseren Kontrollmöglichkeiten. Wer behaupte