1.
Der Wind orgelte von Süden heran. Er hatte Sturmstärke und stieß die Wassermassen in den Plymouth Sound, jagte sie vor sich her und schmetterte sie mit ungeheurer Wucht gegen die Hafenbollwerke. Sieächzten und stöhnten, als litten sie Folterqualen.
Es war eine gespenstische kalte Nacht— eine jener rauhen Nächte im Oktober 1576, in denen die Herbststürme wie entfesselte Reiterscharenüber den Atlantik tobten. Und es schien, als hätten sie zum Ziel, diesen lächerlichen Zipfel Cornwall an der südwestlichsten Ecke Englands wie ein dünnes Hemd zu zerfetzen.
Die Leute von Plymouth kannten das. DieÄngstlichen unter ihnen zogen sich die Bettdeckeüber die Ohren, beteten, bereuten ihre Sünden und lauschten dem Fauchen des Sturms, der durch die engen Häuserzeilen mit den vorgekragten Dächern fegte. Sie kannten diese Stürme— und doch zuckten sie jedesmal zusammen, wenn mit peitschenartigem Knall ein Fensterladen aufsprang und gegen eine Hauswand krachte.
Doch nicht alle zitterten um ihr Leben, nicht alle beteten zu Gott oder verkrochen sich im Bett. Zumindest nicht jene, die dem Teufel schon einige Male ein Ohr abgesegelt hatten und gegen den Wind spuckten, wenn er ihnen zu mickrig erschien.
Philip Hasard Killigrew betete nicht. Im Gegenteil, es war eine Nacht ganz nach seinem Geschmack, und er ließ sich vom Sturm keineswegs in die„Bloody Mary“ wehen.
Diese Kneipe stand unmittelbar an der Ecke Millbay Road und St. Mary Street, die direkt vor den Great Western Docks zusammenstießen. Natürlich hätte die Schenke auch„St. Mary“ heißen können, denn mit ihrer einen Hälfte bildete sie das südliche Ende der St. Mary Street. Indes war der Großvater von Nathaniel Plymson, dem Wirt der„Bloody Mary“, alles andere als ein frommer Mann gewesen. Böse Zungen behaupteten, der Alte habe an der Küste von Cornwall die Strandräuberei betrieben und mit dem solchermaßen„verdienten“ Geld die„Bloody Mary“ aus der Taufe gehoben.
Sein Enkel Nathaniel hütete das Erbe, das ihm in den feisten Schoß gefallen war. Er scherte sich einen Dreck darum, daß die scheinheiligen Bürger von Plymouth die„Bloody Mary“ als Sündenpfuhl und Lasterhöhle bezeichneten. Für ihn war die„Bloody Mary“ eine wahre Goldgrube.
Hier versoffen die Seeleute ihren letzten Penny samt Hemd und Hose. Und wenn sie wieder aufwachten, war Plymouth samt seiner„Bloody Mary“ nur noch ein ferner Traum hinter der Ki