Worum geht es eigentlich?
Man könnte den Buddhismus […] als eine Wissenschaft des Geistes und einen Weg zur Transformation bezeichnen.
Matthieu Ricard
Wie bereits erwähnt wissen wirüber die Beweggründe des»Religionsstifters« Buddha kaum etwas. Das verfügbare Wissen zeigt einen jungen Mann, der als Heiler, Therapeutoder auch Philosoph nach Wegen gesucht hat, menschliches Leiden zu lindern und aufzulösen. Das hat den Buddhismus bis heute geprägt, der eben keine Religion, sondern, wie es die großen buddhistischen Lehrer und Meister immer wieder betonen, eher eine spirituelle Wissenschaft ist. Das macht ihn universell anwendbar. Im Folgenden werden Möglichkeiten beschrieben, wie sich die Ressourcen des Buddhismus für unser Alltagsleben erschließen und nutzen lassen.
Eine buddhistische Grunderkenntnis identifiziert unsere geistige Verfassung als Schlüssel für unser Glück oder Unglück.Natürlich erkannte und unterstrich schon Buddha, dass auchäußere soziale und materielle Faktoren eine enorme Rollespielen. Er plädierte zum Beispiel dafür, den Menschen genug Getreide zur Aussaat zu geben, damit sie ihren Lebensunterhalt selbst sichern konnten. Damit würdigte Buddha dieäußerenUmstände, die zweifellos auch eine große Rolle für unser Wohlbefinden spielen. Für sie müssen wir Sorge tragen und Verantwortungübernehmen. Aber alleäußeren Faktoren sind einem steten Wandel unterworfen. Buddha lehrte, dass wir daher nicht zu sehr an diesen Aspekten des Lebens anhaften sollten. Und wie wir diese Dinge für uns und unser Leben einschätzen und bewerten, ist abhängig von unserer geistigen Verfassung. Es ist unser Geist, der uns in die Befreiung führt oder im verwirrten Zustand unsere Fesselung im Rad des Leidens bewirkt.
Zur Verdeutlichung der Problematik nutzen Buddhisten schon immer folgendes Bild. Unser Geist gleicht eigentlicheinem ruhigen, Kraft spendenden Feuer. Wenn von außen sehr viel Wind gemacht wird oder wir selbst zu vielÖl ins Feuer gießen, beginnt das Feuer unruhig zu werden; es flackert. Dieses Flackern symbolisiert unsere zahlreichen Gedanken und den nicht abreißenden Gedankenstrom in uns. Wir haben uns alle schon viel zu sehr an dieses Flackern gewöhnt und jede Erfahrung damit verloren, wie es sich anfühlt, wenn die innere Flamme ruhig und klar brennt. Viele meinen, sie seien eben»von Natur aus« oder durch schlechte Erfahrungen ein unruhiges Feuer, und missverstehen damit die eigentliche Natur des Menschseins.
Nach buddhistischem Verständnis führt der Weg in die Befreiungüber den inneren Weg des Gewahrwerdens der eigenen geistigen Natur, also der eigenen Erfahrung des inneren klaren und ruhigen Feuers. Daher kann die buddhistische Schulung als Training angesehen werden, das uns zu uns selbst führt.𝖡-authentic, also sei, wer du bist.Das klingt einfach, aber im Folgenden wird noch etwas genauerdarauf eingegangen werden, welche Tücken hier auf unslauern.
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Grundsätzliches
Da der Buddhismus eher eine spirituelle Erfahrungswissenschaft ist, gibt es in ihm auch keine Dogmen, also unumstößliche Lehrsätze. Einerseits würde das der buddhistischen Erkenntnis vom steten Wandel, von der Diskontinuität als Wesen der gesamten Natur, widersprechen, und andererseits will der Buddhismus jede Erläuterung als Anregung verstanden wissen, die wir selbstüberprüfen können und sollen.
Ein weiterer, sehr bedeutsamer Aspekt betrifft unsere vom Buddhismus betonte Wahlmöglichkeit. Vermutlich hatsich vieles in uns bereits gefestigt, und wir leben mit einer ganzen Reihe von Gewohnheitsmustern, vielleicht sogar mit Zwängen, Suchtneigungen und Obsessionen, die wir nicht einfachabstellen können. Aber dennoch sind wir nicht völlig hilflos. Zwar benötigen wir oft zunächst viele leidvolle Wiederholungen, bis wir zu dem Schluss kommen, dass wir so nicht weiterleben können, sondern dringend eineÄnderung herbeiführen müssen. Und um zu diesem Standpunkt zu gelangen, ist es erforderlich, dass wir in einem vorausgegangenen Schritt damit aufgehört haben, andere für uns und unsere Verfassung verantwortlich zu machen. Natürlich sind auchäußere Faktoren wichtig, aber dennoch ist es hilfreich zu erkennen, dass es unsere geistige Verfassung ist, die darüber entscheidet, wie wir Probleme einordnen und auf sie reagieren.
Wir verfügen heuteüber ein fundiertes Wissen undüberhilfreiche Handlungsmöglichkeiten, sodass wir eine reale Chance haben, unser Leiden zu lindern und zu beenden. Wir haben die Voraussetzungen, unser Leiden selbstkritisch zuerkennen, und es existieren»helfende Hände«. Was uns jedoch immer wieder an einer Haltungs- und