2 Die Auswirkungen der Stressreaktion
In diesem Kapitel wird ein Modell dargestellt, mit dessen Hilfe man sich den Ablauf der physischen, psychischen und emotionalen Veränderungen in Stresssituationen erklären kann. Die nachfolgenden Kapitel bauen auf diesen Grundüberlegungen auf. Zuerst werden dazu die Reaktionen auf physisch reale Bedrohungen aufgezeigt, die im Prinzip genauso auch in physisch nicht oder nicht unmittelbar bedrohlichen Situationen ablaufen. Die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit, die Gesundheit und die Befindlichkeit sowie Ansatzpunkte zur Veränderung werden dargestellt. Doch zunächst soll anhand eines Fallbeispieles die Entstehung und die Auswirkungen von Stress erläutert werden.
Fallbeispiel:
Herr A. muss am nächsten Tag eine Präsentation vor einem Entscheidungsgremium durchführen. Von der Entscheidung dieses Gremiums hängt viel ab. Da er noch dringend einige andere ungeplante Arbeiten erledigen muss, hat er nicht genügend Zeit, sich intensiv vorzubereiten. Er denkt:„Ich schaffe das alles nicht rechtzeitig“ und spürt eine innere Unruhe. Er nimmt einen Teil der Arbeit mit nach Hause. Die für den Abend geplante Verabredung mit Bekannten muss er absagen. Das bringt ihm auch nochÄrger mit seiner Frau ein, die sich auf den gemeinsamen Abend gefreut hat. Herr A. fühlt sich von allen Seiten bedrängt. Bei der Vorbereitung der Präsentation unterlaufen ihm dann Leichtsinnsfehler, die er mit hohem Zeitaufwand wieder korrigieren muss. In der Nacht schläft er schlecht, ihm fallen dabei noch zusätzlich unaufgearbeitete Probleme mit seinen Kollegen ein.
Herr A. würde in dieser Situation wahrscheinlich sagen:„Ich bin im Stress“. Wenn man sich mit dem Thema„Stress“ beschäftigt, werden oft unscharfe und uneindeutige Begriffe verwendet. Daher soll anhand des obigen Beispiels zunächst eine Begriffserklärung erfolgen. Umgangssprachlich wird der Begriff„Stress“ einerseits als Beschreibung eines Zustandes gebraucht („Ich bin im Stress“), andererseits wird er als Beschreibung für die stressauslösenden Situationen benutzt („Das macht mir Stress“). Der Begriff„Stress“ stammt ursprünglich aus der Materialforschung und bedeutet dort„Anspannung“,„Verbiegung“,„Belastung“. Um das Jahr 1950 herum hat dann der Pionier der Stressforschung Hans Selye den Stressbegriff auf die Biologieübertragen. Er bedeutet hier ebenfalls„Anspannung“,„Belastung“. Heutzutage ist das Wort„Stresstest“ in Mode gekommen, es wird immer dann gebraucht, wenn man die Robustheit von irgendetwas bestimmen will. Das Wort„Stresstest“ wird dabei jedoch sehr unpräzise und eher im politischen Umfeld gebraucht. Im Weiteren soll daher Stress den Zustand der Anspannung und Belastung bedeuten. Die jeweiligen Situationen, die Stress auslösen, werden in Abgrenzung dazu„Stressoren“ genannt. Im obigen Beispiel sind die Präsentation, die Zeitnot, die Zusatzarbeiten und derÄrger mit seiner Ehepartnerin die Stressoren. Stressoren können rein physische Stressoren, wie z.B. Lärm, Hitze oder Kälte, Schmerzen, physische Verletzungen oder chemische Substanzen, sein. Sie können aber auch aus dem Leistungsbereich stammen, wie z.B. ausÜberforderung oder Unterforderung resultieren, aufgrund von anstehenden Prüfungen oder Bewertungssituationen oder durch Leistungsdruck, Frustration etc. entstehen Auch aus dem sozialen Bereich können Stressoren wie Isolation, Trennung, Menschenmassen, Konkurrenz, Aggressionen usw. wirksam sein.
Die innere Unruhe, der Gedanke„Ich schaffe das alles nicht rechtzeitig“, die Schlafstörung, die Leichtsinnsfehler und die Gedanken an die Probleme mit den Kollegen sind im obigen Beispiel die individuellen Reaktionen von Herrn A. auf diese Stressoren. Natürlich kann auch die Stressreaktion selber zu einem Stressor werden. In unserem Beispiel führte die Stressreaktion bei Herrn A. dazu, dass er Leichtsinnsfehler machte, die dann korrigiert werden mussten und so die Zeitnot noch verstärkten.
Welche Ereignisse nun als Stressoren wirken und welche nicht, kann man dabei nicht allgemeinverbindlich sagen. Schon die Alltagserfahrung lehrt, dass manche Menschen beispielsweise eine Achterbahnfahrt, eine Klettertour oder einen Vortrag vor vielen Zuhörern zu halten al