: Renée Holler
: Das Geheimnis des goldenen Salamanders
: arsEdition GmbH
: 9783760798363
: 1
: CHF 8.40
:
: Kinderbücher bis 11 Jahre
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
England im Jahre 1619: Als Junge verkleidet macht sich die zwölfjährige Alyss auf den Weg nach London, um das große Herrenhaus ihres verschollenen Vaters vor ihrem gierigen Onkel zu retten. Nie hätte sie sich träumen lassen, welch Abenteuer sie dort erwarten würden - und welch besondere Freundschaften...

Renée Holler studierte in München Völkerkunde und Geographie. Auf ihren Reisen um die Welt tauchte sie in fremde Kulturen ein und erfüllte sich nach einem China-Aufenthalt ihren Kindheitstraum: Sie veröffentlichte ihre ersten Kinderbücher. Heute lebt sie in England und denkt sich mit großer Leidenschaft Krimis für junge Leser aus.

Alyss


Hatton Hall, Freitag, 6. September 1619

Alyss blieb atemlos stehen. Die Schritte näherten sich, ihre Verfolger würden jeden Augenblick um die Ecke stürzen. Sie musste sich beeilen, denn die Jungen durften sie auf keinen Fall einholen. Sie hatte das Ende des langen Flurs erreicht. Es ging nicht mehr weiter. Rechts führte eine Tür in Vaters Arbeitszimmer, in dem sich Onkel Humphrey eingenistet hatte, links lag die Tür zur Bibliothek. Da die Ratcliffs Bücher verabscheuten, war dies der beste Platz, um sich zu verstecken. Hastig drückte sie die Klinke und schlüpfte in den Raum.

Obwohl es noch Tag war, herrschte hier Dämmerlicht. Die schweren Damastvorhänge waren zugezogen, um die Bücher vor dem Sonnenlicht zu schützen. Nur ein schmaler Lichtstrahl schien durch einen Spalt. Aber Alyss fand sich in der Bibliothek blind zurecht. Vor allem seit ihr Vater in der Neuen Welt verschollen war, hatte sie viele Stunden zwischen den geliebten Büchern verbracht. Sie atmete tief ein. Nichts spendete mehr Trost als der vertraute Geruch nach Leder, Papier und Druckfarbe. Alyss horchte auf. Die Stimmen aus dem Gang klangen bedrohlich nah. Die Zeit war knapp. Sie hastete um den schweren Tisch herum auf das Bücherregal rechts vom offenen Kamin zu. Es reichte vom Boden bis zur Decke. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, schob vorsichtig ihre Hand zwischen zwei Lederbände auf dem fünften Regalbrett und tastete die Wand hinter den Büchern ab. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Vor lauter Aufregung konnte sie den Hebel, der dort verborgen war, nicht gleich finden. Im Flur war es plötzlich still geworden. Doch schon einen Augenblick später konnte man die Jungen flüstern hören. Sie waren vor der Tür zur Bibliothek stehen geblieben. Alyss musste sich beeilen.

Endlich! Der Hebel. Es gelang ihr, ihn zu fassen. Sie drückte ihn nach unten und presste ihr Gewicht gegen das Holzregal. Mit einem dumpfen Klicken gab es nach, und die ganze Wand, mitsamt den Büchern, bewegte sich leise quietschend nach hinten. Wie von Zauberhand klaffte zwischen dem Mauerwerk des Kamins und dem Regal ein dunkler Spalt. Alyss raffte ihre Röcke und zwängte sich durch die Öffnung. Dahinter war gerade genug Platz für eine Person. Sie drückte sich dicht an die Mauer und schob mit einem Ruck das Regal zurück. Danach hielt sie einige Herzschläge lang den Atem an und lauschte. In der Bibliothek regte sich nichts. Vermutlich hatten sich die Jungen entschlossen, zunächst im Arbeits