: Sharon Bolton
: Dead End - Lacey Flint 2 Thriller
: Manhattan
: 9783641092313
: Lacey Flint
: 1
: CHF 6.10
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 448
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Du kannst ihn nicht sehen. Du kannst ihn nicht hören. Aber er beobachtet dich - und er kennt deine schlimmsten Ängste ...
Zwanzig Selbstmorde in fünf Jahren. Meist sind es junge Frauen, die sich auf höchst ungewöhnliche Art das Leben nehmen. Zuletzt versuchte die 19-jährige Bryony Carter sich zu verbrennen. Nicht nur die Polizei vermutet, dass irgendetwas an der ehrwürdigen Universität Cambridge nicht mit rechten Dingen zugeht. Auch die Psychiaterin Evi Oliver ist besorgt. Nun soll sich DC Lacey Flint im Auftrag von DI Mark Joesbury als verletzlich-depressive Studentin ausgeben und den Lockvogel spielen. Doch je tiefer sie mit Evi Olivers Unterstützung in die Selbstmordserie eintaucht, desto bedrohlicher wird die Situation für beide Frauen. Als Lacey schließlich unter denselben Albträumen leidet, von denen die jungen Frauen in den Tod getrieben wurden, weiß sie: Sie ist die Nächste.

Sharon Bolton, geboren im englischen Lancashire, hat eine Schauspielausbildung absolviert und Theaterwissenschaft studiert. Ihr Debütroman 'Todesopfer' machte sie über Nacht zum Star unter den britischen Spannungsautor*innen. Seitdem wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit demDagger in the Library für ihr Gesamtwerk. Sharon Bolton lebt mit ihrer Familie in Oxford.

18

Montag, 14. Januar (vor acht Tagen)

»Und das hier ist der Second Court, Miss Farrow«, verkündete der Pedell.

»Der ist ja schön«, staunte ich, weil ich wusste, dass irgendetwas von mir erwartet wurde. Was ich wirklich sagen wollte, war, dass der Innenhofüberwältigend war.

Ich fand ganz Cambridgeüberwältigend, die ganze Stadt. Die Pracht der alten Gebäude, die geheimen Gärten und die Plaketten mit den berühmten Namen an den Mauern. Die Jungen auf den Fahrrädern mit ihren achtlos um den Hals geschlungenen Collegeschals und die Mädchen mit den runden Gesichtern und der reinen Haut, den langen Gliedmaßen und klugen Augen. Alles kündete von einer Welt, die ich niemals wirklich verstehen würde, zu der zu gehören für mich nicht einmal denkbar war. Und den hellblau-rot-marineblau gestreiften Collegeschal trug ich um den Hals, als hätte ich ihn gestohlen.

Vor wenigen Minuten hatte ich mich am Haupttor des Colleges gemeldet, in dem ich studieren sollte: St. John’s. Es war eines derältesten und prestigeträchtigsten der Universität. Der diensthabende Pedell, ein Mann mittleren Alters mit sauber gekämmtem Haar und makelloser Uniform, der sich als George vorstellte, hatte mich erwartet.

»Die meisten Studenten müssen diesen langen Marsch nicht machen«, erklärte er, als wir durch etwas hindurchschritten, was aussah wie das Torhaus eines Schlosses, in Wirklichkeit jedoch einfach nur ein Durchgang von einem Court in den nächsten war.»Zu Semesterbeginn organisieren wir immer eine Art Gepäckdienst, aber jetzt war es leichter, Ihnen einfach beim Tragen zu helfen.«

Ich warf einen raschen Blick nach hinten und lächelte einem jüngeren Mann zu, der zwei meiner Taschen schleppte. Eine davon war voller Bücher und ganz schön schwer. Die andere enthielt meine neue Studentengarderobe. Ich trug die Tasche mit meinem brandneuen Scotland-Yard-Laptop, meinen persönlichen Habseligkeiten und Büromaterial. George hatte darauf bestanden, meine Sporttasche zu nehmen.

»Hier gibt’s aber eine Menge Pedelle«, stellte ich fest, als ein weiterer Mann in ebenso schmucker Uniform wie George an uns vorbeiging und ihn mit Namen grüßte.

»Sind ja auch viele Studenten«, gab George zurück.»Wir sind eines der größten Colleges der Universität.«

Das wusste ich bereits. Gestern Abend war Dana Tulloch ziemlich spät in Scotland Yard aufgekreuzt. Nachdem sie Joesbury böse angefunkelt hatte, hatte sie versucht, mir das Verhältnis zwischen der Universität und den Colleges zu erklären.

»Die Universität ist wie ein Schirm«, hatte sie gesagt.»Sie kümmert sich um die Lehre, hauptsächlich in Form von Vorlesungen, nimmt die Prüfungen ab und verleiht die Diplome. Außerdem stellt sie andere gemeinschaftliche Einrichtungen wie Sportplätze, die Hauptbibliothek und so weiter.«

Ich hatte genickt. So weit, so gut.

»Die Colleges dagegen sind wie Heime«, hatte Tulloch weiterdoziert.»Es gibt einunddreißig. Jedes hat eine Kapelle für die spirituellen Bedürfnisse und einen Speisesaal für die leiblichen, Gemeinschaftsräume zum Entspannen, große Zimmer für die Dozenten und die Fellows, und kleine für die Studenten.«

»Dozenten und Fellows«, hatte ich wiederholt undüberlegt, ob ich mir Notizen machen sollte.

»Das College stellt jedem Studenten einen Tutor, der fastin loco parentis fungiert«, fuhr Dana fort.»Ihr Tutor beaufsichtigt Ihre Studien, kümmert sich aber auch um Ihr Wohlergehen. Ihr Tutor bei dieserÜbung wird meine Freundin Evi sein.«

Ich hatte Evi noch nicht kennengelernt.»Arbeiten Sie schon lange hier?«, fragte ich George.

»Rechts ist die Bibliothek«, verkündete er, als wir irgendwelche Gebäude an der Westseite des Hofes betraten. Wir gingen hindurch und kamen bei einerüberdachten Steinbrücke wieder heraus. Unter uns war der Fluss.»Ich bin hier der neueste Mitarbeiter«, meinte er dann.»Ich springe nur für einen von den dienstälteren Pedellen ein, der sich krankgemeldet hat. Und jetzt sind wir im New Court, 1831 im gotischen Stil fertiggestellt.«

Bis zu diesem Moment hätte ich nicht sagen können, was gotisch bedeutete, doch als ich mich auf dem New Court umsah, wurde mir klar, dass gotisch bombastisch bedeutete. Türmchen wie aus dem Märchen, kunstvolle Verzierungen, die eher zu einer Hochzeitstorte zu passen schienen als zu einem steinernen Gemäuer. Wir kamen durch einen weiteren Durchgang und sahen uns sehr viel neueren Gebäuden gegenüber.

»Hier wohnen die meisten Studenten«, sagte George, als wir auf ein Vordach am Eingang des neuen Heims zusteuerten.»Wie sagen wir immer, Tom?« Er wandte sich an den Mann, der uns mit meinen Taschen folgte.

»Lasst sie hinten anfangen«, antwortete Tom, ein Mann Mitte dreißig mit dunklem Haar und freundlichen braunen Augen.»Dann im zweiten Jahr weiter nach vorn, und dann fürs letzte Jahr in den Final Court. Dann sind sie direkt vor der Haustür, und man kann sie leichter rausschmeißen.«

Ich bedachte die beiden mit dem Lächeln, von dem ich wusste, dass es von mir erwartet wurde.

Wir betraten den Neubau, stiegen eine Treppe hinauf und gingen einen Flur entlang, der mich an ein Krankenhaus erinnerte oder an eine große Polizeiwache. Als wir fast am Ende angekommen waren, schloss George eine Tür auf