: Markus Metz, Georg Seeßlen
: Wir Untote Über Posthumane, Zombies, Botox-Monster und andere Über- und Unterlebensformen in Life Science& Pulp Fiction
: Matthes& Seitz Berlin Verlag
: 9783882219937
: 1
: CHF 15.30
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: Gesellschaft
: German
: 319
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die untote Gesellschaft Klon, Transhumanismus, Enhanced Humanity, Hikikomori, Kinect, Cyborg, Epigenetik, Designer-Baby - Begriffe einer neuen Welt, in die wir bereits stärker verstrickt sind, als wir glauben. In das Blickfeld ernsthaften Nachdenkens über die Zukunft des Menschlichen rückt somit die Figur des 'Untoten', des 'Zombie', mit der nicht nur der eine oder andere Menschen (ob Botox-Monster oder hirntot gefesselt an eine Herz-Lungen-Maschine), sondern auch unsere Gesellschaft analysiert werden kann. Neue Konzepte des menschlichen Körpers, neue Formen der Gesellschaft - mit den Fortschritten in der Wissenschaft und Technik verschwimmen die Grenzen zwischen Leben und Tod, Kultur und Technik. Neue Fragestellungen geraten ins Zentrum ethischer und ästhetischer Überlegungen. Die Frage nach der Grenze des Machbaren wurde schon immer von der Realität als fiktiv und nicht relevant entlarvt. Stellen wir uns also der Frage nach dem Menschenpark. Wohin geht die Reise?

Markus Metz studierte Publizistik, Politik und Theaterwissenschaft in Berlin. Er arbeitet als freier Journalist und Autor, vorwiegend für den Hörfunk. Zuletzt publizierte er gemeinsam mit Georg Seeßlen das Buch 'Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität'. Georg Seeßlen studierte Malerei, Kunstgeschichte und Semiologie in München. Er war Dozent an verschiedenen Hochschulen im In- und Ausland und arbeitet als freier Autor und Filmkritiker. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher und Artikel.

DAS UNTOTE UND WIE MAN DORTHIN GELANGT


Vorschläge zum kritischen Design eines neuen Diskurses


Ein Wort hat denkwürdige Konjunktur: untot. Die Untoten, das sind natürlich die Zombies, in 35 ziemlich guten und 2000 schlechten Filmen, in Comics und Romanen, im karnevalesken Zombie Walk und in vielleicht nur teilweise ironischen »Zombie Survival Guides«. Aber »untot« drückt auch ein eigenartiges ausuferndes Empfinden der Zeit aus. Da-Sein und doch nicht Da-Sein; Dasein und doch kein Dasein. Man denkt an Gespenster, Retortenwesen oder radikal Entwürdigte, an Menschen jenseits ihrer Geschichte und jenseits ihrer, nun ja, Menschlichkeit, an RoboCops und Pilleneinwerfer, Vampire und Junkies, an Bürokraten und Fließbandarbeiter, Soldatenmaschinen und Maschinensoldaten, Hirndoping und »Flatliners«. Leute, die sich halb zu Tode schuften, und Leute, die sich halb zu Tode amüsieren. An zum Tode Verurteilte, die jahrelang auf die Vollstreckung warten, »Dead Man Walking«, wie man das im Todesstrafen-LandUSA nennt. An Demenz erkrankte Verwandte und an unsterbliche Seegurken im Labor. Untot! Und immer denkt man, ein ganz klein wenig, auch an sich selbst mit. Bin ich/ist Ich schon kontaminiert vom Untod?

Das Wort wird unscharf verwendet. Es zieht etwas Ungewisses hinein in einen Bereich noch größerer (aber vernetzter) Ungewissheit; es ist sich seiner mangelhaft verborgenen Widersprüchlichkeit bewusst, es ist Vorschein mehr als Nachhall. Aber dieses Wort »untot« will ein semantisches Feld besetzen, es will kommunizieren und existieren. Wenn zwei sich über das »Untote« unterhalten, dann sind sie beide erregt, aber selten über das Gleiche; man weiß nur, da berühren sich gerade Körper und Sprache, da wollen wir gemeinsam hinein in ein unerforschtes Land.

Das Untote bezeichnet eine gerade neu entdeckte Unschärfe. Definiere »Leben«! Definiere »Tod«! Das war immer schwer und wird noch schwieriger. Nein, treibe dich stattdessen in der Untoten-Zone herum, bildlich, semiotisch, ungreifbar, aber fest entschlossen, wenigstensdieser Zukunft nicht auszuweichen: Da entsteht etwas zwischen dem gewohnten Leben und dem nach wie vor skandalösen Tod: verlängertes Leben, verändertes, verbessertes, enteignetes, reduziertes Leben, oder eben andersherum, verlängertes Sterben, philosophische Zombies, Wesen, denen »ihr eigener Tod«, der ihnen versprochen war (als Todespoesie immerhin), verweigert wurde, der Kino-Spruch von einem, der tot ist, aber es noch nicht weiß, wiedergeboren als Maschine, als Monster, als Mutant, als – genau, Untoter.

So rätselhaft die Sache selbst ist, diese sich ausbreitende Zone einer Ungewissheit, die man sich auf die unterschiedlichste Weise, vom Diskurs zum Bild, von der »Erprobung« zum Modell, von der Pop-Mythe zum Alltagsleben irgendwievorzustellen versucht, so deutlich sind die verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte, die sich ihr in ihrem jeweiligen Interesse und mit den jeweiligen Mitteln nähern und dabei auch in direkte und indirekte Wechselwirkungen treten. Vielleicht kann man sich dies in etwa so vergegenwärtigen:

Ob also