I
Noch mehr heißes Wasser Olai, sagt die alte Hebamme Anna
Steh nicht in der Küchentür rum Mensch, sagt sie
Nein nein, sagt Olai
und er spürt, wie eine Wärme und eine Kälte sich überall auf seiner Haut ausbreiten, und er bekommt Gänsehaut und ein Glücksgefühl durchfährt ihn und steigt ihm als Tränen in die Augen und er geht schnell zum Herd und schöpft dampfend heißes Wasser in eine Schüssel, ja heißes Wasser sollst du haben, denkt Olai und er schöpft noch mehr heißes Wasser in die Schüssel und er hört die Hebamme Anna sagen jetzt ist es sicher genug, ja jetzt reicht es, sagt sie und Olai schaut auf und da steht die alte Anna neben ihm und nimmt die Schüssel
Ich trag sie selber rein ja, sagt die Hebamme Anna
und dann ist aus der Kammer ein unterdrückter Schrei zu hören und Olai sieht der alten Anna in die Augen und er nickt ihr zu und grinst er sie nicht auch ein bisschen an
Ein bisschen Geduld noch, sagt die alte Anna
Wenn es ein Junge wird, soll er Johannes heißen, sagt Olai
Abwarten, sagt die Hebamme Anna
Ja Johannes, sagt Olai
Wie mein Vater, sagt er
Ja ein guter Name, nichts gegen zu sagen, sagt die alte Anna
und noch ein Schrei ist zu hören, lauter jetzt
Geduld noch Olai, sagt die alte Anna
Hab noch ein bisschen Geduld, sagt sie
Hörst du, was ich sage?, sagt sie
Du bist Fischer, du weißt, Frauen gehören nicht ins Boot, nicht wahr?, sagt sie
Jau, sagt Olai
Und hier gilt dasselbe für Männer, du weißt, was sonst passiert?, sagt die Hebamme Anna
Es bringt Unglück, sagt Olai
Genau, Unglück, sagt die alte Anna
und Olai sieht die alte Anna schnell zur Kammer gehen und die Schüssel mit dem heißen Wasser hält sie mit ausgestreckten Armen vor sich und dann bleibt die Hebamme Anna vor der Tür zur Kammer stehen und sie dreht sich zu Olai um
Steh da nicht so rum, sagt die alte Anna
und Olai bekommt einen Schreck, bringt es etwa schon Unglück, wenn er nur hier steht? nein das kann ja wohl nicht sein und wenn es jetzt nur gut geht mit seiner höchst geachteten und geliebten Marta, seiner liebsten Marta, es muss einfach gut gehen ja auf jeden Fall
Mach die Küchentür zu Olai und setz dich auf deinen Stuhl ja, sagt die alte Anna
und Olai setzt sich ans Kopfende vom Küchentisch und er stützt die Ellbogen auf den Tisch und den Kopf in die Hände und zum Glück hat er Magda heute zu seinem Bruder gebracht, denkt Olai, als er hingefahren ist, die alte Anna holen, ist er erst mit Magda bei seinem Bruder vorbeigerudert und eigentlich war er nicht sicher, ob das richtig war, denn die Magda ist jetzt ja auch bald eine erwachsene Frau, die Jahre vergehen so schnell, aber Marta hat ihn darum gebeten, wenn sie niederkommt und er losrudert, die alte Anna holen, dann soll er Magda mitnehmen und bei seinem Bruder lassen, bis die Geburt vorbei ist, sie ist noch zu jung, um so genau zu erfahren, was ihr als erwachsener Frau bevorsteht, hat Marta zu ihm gesagt und da hat er natürlich getan, was sie gesagt hat, obwohl er Magda jetzt so gern bei sich gehabt hätte, ein kluges und verständiges Mädchen ist sie gewesen, solange er zurückdenken kann, und so lieb und gut in ihrem Betragen, eine gute Tochter hat er, ja, denkt Olai, und eigentlich hatte es so ausgesehen, als wollte der Herrgott ihnen keine Kinder mehr schenken, denn Marta war nie wieder guter Hoffnung gewesen und die Jahre vergingen und mit der Zeit fügten sie sich und dachten, jetzt bekämen sie keine Kinder mehr, so war es eben, es war ihr Schicksal, sagten sie und dankten Gott dem Herrn, dass er ihnen Magda geschenkt hatte, denn wenn sie nicht mal diese Tochter bekommen hätten, nein dann wäre es einsam gewesen hier auf Holmen, der Insel, wo sie sich niedergelassen hatten, und das Haus hatte er selber gebaut und natürlich hatten seine Brüder und die Nachbarn geholfen, aber das meiste hatte er selber gemacht, und als er Marta freite, da hat