Warum man besser gleich fünf Brötchen kauft
Der Isländer ist stolz auf seine Muttersprache. Und felsenfest davon überzeugt, mit der vielleicht schwierigsten Sprache der ganzen Welt geschlagen zu sein. Wenn ich an meine eigenen Mühen denke, die ich mit Isländisch hatte, habe und noch haben werde, könnte ich dieser Ansicht glatt zustimmen. Doch trotz der ewigen Plage gibt mir meine neue Sprache immer wieder Anlass zur Erheiterung.
Ausgerechnet Island! Hätte es mich nicht in ein sprachtechnisch weniger kompliziertes Land verschlagen können? Nach meiner Erfahrung sind erstaunlich viele Leute der Meinung, hier würde dänisch gesprochen. Aber unabhängig wie meine Insulaner nun einmal sind, haben sie mit Isländisch auch ihre eigenständige Sprache. Altisländisch entwickelte sich aus dem Altnordischen, so wie auch Altnorwegisch. Deshalb vergleiche ich den Klang von gesprochenem Isländisch gerne mit dem von Norwegisch. Und aussehen kann Isländisch so: „Þrír slösuðust þegar jeppi og fólksbíll lentu í árekstri … Að sögn lögreglunnar … er vegurinn lokaður … Þyrla Landhelgisgæslunnar er á leið á staðinn.“ Eine Nachrichtenmeldung, die über einen Verkehrsunfall berichtet: „Drei Personen wurden verletzt, als ein Jeep und ein PKW zusammenstießen … Nach Aussage der Polizei … ist die Straße gesperrt … Ein Hubschrauber der Küstenwache ist auf dem Weg zum Unglücksort.“
Sobald ein Isländer herausfindet, dass ich Ausländer bin, läuft ein standardisiertes Frage- und Antwortspiel ab: „Woher kommst du?“ „Aus Deutschland.“ „Und wo aus Deutschland?“ „Aus Nürnberg in Bayern.“ „Wie lange bist du schon hier?“ „Fünf Jahre.“ Und ich weiß haargenau, was dann kommt: „Du sprichst aber gut Isländisch!“ „Takk fyrir – danke!“ Welch Balsam auf meiner geplagten Seele! Da beißt die Maus keinen Faden ab: So gerne wie meine Insulaner die Kompliziertheit ihrer eigenen Sprache hervorheben – und das nicht ohne gewisse Genugtuung – so großzügig sind sie auch mit Komplimenten, wenn es um die Isländisch-Kenntnisse eines Nicht- Isländers geht. Selbst die geringsten Bemühungen werden hoch anerkannt. Dabei spielt es gar keine Rolle,wie fortgeschritten man letztendlich ist. Ein paar Worte reichen völlig aus, um Lobeshymnen auszulösen. Besonders ermutigend ist die Bestätigung, dass „die Deutschen zu denen gehören, die dabei mit den geringsten Problemen kämpfen“. Tatsächlich beherrschen die allermeisten deutschen Muttersprachler, die ich hier kenne, Isländisch recht passabel. Eine gute Portion an Zielstrebigkeit und Entschlossenheit, die dem Deutschen im allgemeinen zugesagt wird, zahlt sich eben auch bei der Herausforderung Isländisch aus.
Isländisch ist eine nordgermanische Sprache, Deutsch eine westgermanische. Damit sind die beiden sogar miteinander verwandt. Tatsächlich haben sie eine sehr ähnliche Struktur. So gibt es jeweils die drei Geschlechter Maskulin, Feminin und Neutrum; die vier Fälle Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ; die drei bestimmten Artikel der, die und das. In beiden Sprachen hängen sämtliche Wortendungen voneinander ab. Wie glücklich kann ich mich schätzen, dass mir dieses Konzept in die Wiege gelegt wurde! Wir Deutschsprachigen verstehen zumindest, wie die isländische Grammatik „gedacht“ ist. Auch der Isländer geht nämlich indas Haus, befindet sich aber indem Haus. Ein gewaltiger Vorteil, auf den zum Beispiel ein englischer Muttersprachler nicht zurückgreifen kann. Darüber hinaus kamen mir in meinen Bemühungen, Isländisch zu lernen, die vielen ehemaligen Latein- und Altgriechisch-Stunden sehr gelegen, die ich im Laufe meiner Schullaufbahn genossen hatte. Nicht dass ich behaupte, Latein oder Altgriechisch zu sprechen, aber ich lernte damals wirklich, Sätze zu konstruieren.
Trotzdem war mein Weg bis zur Verständigung in der Landessprache lang und steinig. Die Erinnerung an die vielen Momente, die in meinen zaghaften Anfängen tägliches Brot waren, legte ich in der Schublade für frustrierende