: Ulf Grebe
: Musiktherapie in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Erfahrungen und Gedanken
: Grin Verlag
: 9783656388647
: 1
: CHF 17.80
:
: Allgemeines
: German
: 85
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB/PDF
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Medizin - Therapie, Note: 2,0, Hochschule für Musik und Theater Hamburg (Institut für Musiktherapie), Veranstaltung: Weiterbildungsstudiengang Musiktherapie in Zusammenarbeit mit der Europäischen Akademie der Heilenden Künste e. V., Sprache: Deutsch, Abstract: Musiktherapie ist eine therapeutische Methode, die von zwischenmenschlicher Begegnung, Spiel und dem kreativen Gestalten von Gegebenheiten lebt. Als musikbasierte kreative Therapie arbeitet sie in besonderer Weise mit der jedem Menschen eigenen Schwingungsfähigkeit. Dies alles lässt Musiktherapie als besonders geeignet für die Arbeit mit psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen erscheinen. In deutschen Kliniken für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie ist sie dementsprechend immer häufiger anzutreffen. Doch wie sieht das eigentlich praktisch aus - Musiktherapie in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie? Wer nimmt daran teil, mit welchen Methoden wird gearbeitet und was kann diese Therapieform bewirken? Ulf Grebe beantwortet diese Fragen aus der Erfahrung eines eigenen klinischen Musiktherapie-Praktikums und liefert dabei lebendige Eindrücke, Beobachtungen und Reflektionen einer in der Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannten Art, mit psychischen Erkrankungen umzugehen.

3. Patienten der KJPP


 

Die Patienten der Klinik habe ich meistens zweimal „kennengelernt“: zum einen, wenn sie mir in einer musiktherapeutischen Einzel- oder Gruppensitzung begegneten und zum anderen, wenn ihr Fall in der wöchentlichen Teambesprechung mit Chefarzt auf den Tisch kam. Meist war die Therapiesitzung für mich die erste Begegnung, was noch dadurch befördert wurde, dass ich normalerweise nicht täglich in der Klinik war. Doch auch die Musiktherapeutin, Teresa Schlummer, lernte viele ihrer Patienten erst im Musiktherapieraum kennen und beschäftigte sich erst dann näher mit den ärztlichen und psychologischen Befunden. Sie wollte so die persönliche Kontaktaufnahme möglichst von Krankheitsvermutungen oder –diagnosen und fachlichen Wertungen frei halten und sich unvoreingenommen einen eigenen Eindruck verschaffen. Doch meist blieb auch, nachdem man die Patienten schon ein wenig kannte, ein Spannungsverhältnis zwischen diesen so unterschiedlichen Perspektiven bestehen. Das ging so weit, dass ich manchmal die in der Visite besprochene Person während der musiktherapeutischen Begegnung nicht wiederzuerkennen glaubte. Diese Ambivalenz zwischen Diagnose und persönlichem Eindruck, die mir eine für unsere Profession wichtige Erfahrung zu sein scheint, möchte ich an folgendem Fall veranschaulichen:

 

Hannes*, ein kleiner untersetzter Junge von 13 Jahren mit starker Brille, kurzen struppigen Haaren und tarnfarbener Bundeswehrhose kommt in die Trommelgruppe. Er wirkt auf mich im ersten Moment etwas begriffsstutzig. Seine Körperhaltung und Mimik sind wie „heruntergefahren“, er hat die Hände viel in den Hosentaschen und spricht einsilbig, eher leise und mit wenig Melodie. Doch im Laufe der Trommelstunde überrascht Hannes mich. Nicht nur, dass er im rhythmischen Tun erkennbar auftaut, er lässt auch eine kleine Bemerkung fallen, die ausgesprochen schlagfertig und witzig ist. Und als wir mit Trommeln im Kreis sitzen, kann man sehen, dass Hannes sich hier ganz zu Hause fühlt. Er trommelt gut, mit fast schon lässiger Geste.

 

Am selben Tag ist „Visite“, womit nicht nur die wöchentliche Runde des Chefarztes und seiner KollegInnen durch eine Station gemeint ist, sondern auch die anschließende Teambesprechung, an der auch die Fachtherapeuten zu mehreren Kollegen teilzunehmen pflegen. Der Ablauf ist immer ähnlich: Prof. Dr. (..., der Chefarzt, greift in den Aktenwagen, ruft den Namen des Patienten in die Runde und eröffnet so die Besprechung des Falles. Da die meisten Teilnehmer der Besprechung schon beim Rundgang dabei waren, haben sie die fragliche Person frisch vor Augen, und es gibt zu den aktenkundigen Informationen auch eine aktuelle Befindlichkeit. Diese wird ebenso thematisiert wie die aktuellen Befunde der medizinischen oder psychologischen Abteilung aus Diagnostik und Therapie, Berichte von Elterngesprächen, Rückmeldungen der Fachtherapeuten oder auch mal einer Lehrerin. Nach mal mehr, mal weniger ausführlicher Diskussion wird vom Chefarzt beschlossen, wie die Behandlung weitergehen soll.

 

Hannes ist Bewohner der Station für ältere Kinder, K2. Aus der Besprechung seines Falles notiere ich mir an diesem Tag einige Stichworte: „Hat Schwierigkeiten in Gruppen, kan