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Eine halbe Stunde nachdem Frau Manter entgegen ihrem eigentlichen Vorhaben doch wieder in die Arme ihres Mannes gesunken war, standen beide im gleißenden Licht vieler Scheinwerfer. Nur der Theaterpark, jener grüne Lungenflügel, der die Grabenstraße zu einer Seite hin begrenzte, lag noch im Dunkeln der sich langsam verabschiedenden Nacht. Frau Manter hatte vorerst ihren Ärger über die wilde Tanzerei des Gatten beiseitegelegt und inzwischen auch vergessen, dass ihr entsetzlich kalt gewesen war, denn über ihrer nassen Bluse trug sie einen dick gefütterten Parka mit der breiten Aufschrift POLIZEI.
Hauptkommissar Andrea Manzetti beachtete das Ehepaar nicht. Später, erst nachdem er einen Gesamteindruck gewonnen haben würde, wollte er sich mit den beiden befassen. Bis dahin, war er sich sicher, war durch Sonja Brinkmann all das aufgeschrieben, woran die Manters sich erinnern konnten.
So stand Manzetti etwas abseits und betrachtete regungslos die bizarre Szenerie. Er lehnte mit tief in den Manteltaschen vergrabenen Händen rücklings an einem Auto, das irgendjemand mit dem Heck bis an die große Strauchhecke gefahren hatte. Die hatte längst alles Grün abgeworfen, was aber für einen ersten November auch nicht ungewöhnlich war.
Er starrte auf den kleinen Platz vor dem Theater, wobei seine Augen sich nur sehr langsam bewegten. Es hatte nichts mit der morgendlichen Müdigkeit zu tun, vielmehr versuchte Manzetti, in die gegenwärtige Situation einzutauchen, mit jedem Atemzug die Atmosphäre aufzusaugen und sich dabei noch nicht in komplizierten Details zu verlieren. War nämlich erst einmal aufgeräumt hier, dann war auch dieser Eindruck verloren. Für immer, denn Fotos waren seiner Meinung nach nicht in der Lage, Stimmungen einzufangen. Jedenfalls nicht die der Polizeifotografen. Dazu bedurfte es Profis, die mindestens einen vernünftigen Bildband veröffentlicht hatten, aber die konnte sich die Polizei nicht leisten. Genau deshalb fuhr Manzetti seit eh und je selbst an die Tatorte, und alle achteten penibel darauf, dass sie nichts anrührten, bevor der Chef dazu seine Erlaubnis erteilte.
Manzetti begann das Sammeln von Eindrücken links, wo der Eingang des Großen Hauses war. Den hatte er erst vor gut drei Wochen seiner Frau offen gehalten, als sie zum ersten Konzert der Brandenburger Symphoniker in der neuen Spielsaison gekommen waren. Das Orchester war wieder einmal großartig gewesen, und auch bei der Auswahl der Stücke hatte der Generalmusikdirektor ein goldenes Händchen bewiesen. Carl Maria von Weber, Hindemith und Bernstein hatten jene Mischung ausgemacht, die dem verwöhnten Geschmack des Publikums voll entsprach, und der Höhepunkt, ein Stepptänzer zu klassischer Musik, hatte dank der unzähligen Bravorufe drei Zugaben geben müssen.
Manzettis Augen wanderten weiter, vorbei an der Theaterklause, hin zu den Häusern der Grabenstraße, die nicht mehr zum Theaterkomplex gehörten und wo die polizeiliche Absperrung begann. Er griff in die Innentasche seines Mantels, in der gewöhnlich der handtellergroße Schreibblock steckte und schrieb zwei Wörter auf: Intendant, Gastwirt.
Als er wieder aufblickte, sah er zu Sonja, die wild gestikulierte und wohl hoffte, ihn dadurch mahnen zu können, dass die Kollegen nun lange genug auf ihren Einsatz warteten. Endlich gab Manzetti nach und ließ mit einer Handbewegung alle mit der Arb