: Thomas Raab
: Der Metzger kommt ins Paradies Kriminalroman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426417584
: 1
: CHF 10.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Jesolo, Caorle, Bibione, egal, das Fegefeuer ist ein Meer aus Sonnenschirmen und Goldkettchen auf öliger Haut - zumindest für den Restaurator Willibald Adrian Metzger. Entführt und seinem eigenen Untergang nahe, bekommt er es am Ufer der Adria mit einer Ausgrabung zu tun. Einer dermaßen makabren, versteht sich, da scheinen die alles andere als harmonisch urlaubenden Teutonen und Alpenländer, allen voran ein vorlauter Berliner unbekannter Profession, das geringste Übel zu sein, möchte man meinen. Und weil es höchst ungesund ist, vom Liegestuhl aus Dinge zu beobachten, die einen nichts angehen, wird für den Metzger und seine Danjela aus dem Fegefeuer dann die reinste Hölle.

Thomas Raab, geboren 1970, lebt nach abgeschlossenem Mathematik- und Sportstudium als Schriftsteller, Komponist und Musiker mit seiner Familie in Wien. Zahlreiche literarische und musikalische Nominierungen und Preise, zuletzt 'Buchliebling' 2011 und Leo-Perutz-Preis 2013. Die Kriminalromane rund um den Restaurator Willibald Adrian Metzger zählen zu den erfolgreichsten in Österreich. Zwei davon wurden im Sommer 2014 für die ARD-Degeto mit Robert Palfrader in der Hauptrolle verfilmt.

Der Ramsch und der Rolf


»Hände hoch!«, hat der Ton nun an Schärfe genauso zugenommen wie offenbar auch der Metzger die letzten Stunden an Kilos. Zumindest fühlt es sich so an, denn zu eng ist die Hose, zu eng das Leibchen, zu eng sind die Bronchien. Schwer geht sein Atem, und schwer geht ihm das alles hier in den Kopf. Manchmal bleibt so eine durch den Magen gehende Liebe eben ein wenig hängen, in seinem Fall an den Hüften. Diesbezüglich wird er die nächste Zeit gewaltig abspecken.

»Gibt brave Junge endlich Pfötchen hoch, dann kann ich heraushieven Gesamtpaket aus Liegestuhl. Weil geht nix, ganze Zeit nur herumlungern mit Gesicht drei Tage wie Regenwetter. Is doch alles große Traum. Kannst du endlich wegstrecken Beine!«

Grinsend steht eine pralle, beinah den Badeanzug sprengende Danjela in all ihrer Pracht vor seinem Liegestuhl und drückt ihm eine Spritzpistole an die Nase. Ihrer leicht vorgeneigten Haltung kann allerdings nur der Herr eine Reihe weiter hinten etwas abgewinnen, der Metzger hat zurzeit für derart erfreuliche Aussichten einfach kein Auge: »Drei Tage Regenwetter, genau das, liebe Danjela, klingt nach großem Traum! Ich hab die letzten Nächte in dem weichen Bett maximal zwei Stunden geschlafen, ganz zu schweigen von der zwölfstündigen Bahnfahrt, dafür schwitz ich, seit wir hier sind, und zwar ohne Pause. Keine Ahnung, wo aus meinem Körper die ganze Flüssigkeit noch herkommen soll, wenn das so weitergeht, lös ich mich wahrscheinlich auf.«

Kurz lüftet er sein verblasstes weinrotes Poloshirt, versenkt die Spitze des Zeigefingers in der sich anbietenden Bauchfalte, hebt die Hand, erklärt: »Und überall pickt Sand! Da schau, sogar in meinem Nabel, den man bei mir an und für sich ja gar nicht sieht, also wie um Gottes willen kommt der Sand da überhaupt hinein, kannst du mir das erklären, ich beweg mich doch kaum«, senkt die Hand wieder ab, zupft an seiner hellblau karierten Badehose und setzt, endlich in Fahrt gekommen, fort:

»Und bei aller Liebe: Der Wäsche, die du mir eingepackt hast, bin ich seit einem Vierteljahrhundert entwachsen. Jedes dieser Stücke stammt aus der Lade für die Altkleider-sammlung, stimmt’s? Ich komm mir vor wie eine Knackwurst!«

»War anders nix möglich, hättest du sonst bemerkt heimliche Packmanöver. Außerdem schmeckt doch herrlich gegrillte Knackwurst. Und warum bitte hast du überhaupt an Leiberl? Brauchst du dich doch nix schämen. Schaust du dich um, quillt hier bei sicher 70 Prozent genauso Hüftspeck über zu engen Hosenbund wie bei dir. So und jetzt kommst du, machen wir Strandspaziergang. Sag ich nur, ist Schießeisen voll geladen!«

Liebevoll, fast ein wenig mitleidig blickt sie ihm entgegen und gibt ihr Bestes, den seit ihrer Ankunft immer offenkundigeren subversiven Kräften mit möglichst guter Laune entgegenzuwirken. Leider vergeblich. Denn all die ihr bis dato präsentierte Mattigkeit ist nichts als noble Zurückhaltung. Und der gehen dank Schlafentzug und Dauertranspiration langsam, aber sicher die Nerven aus.

»Danjela, bitte, ich will bei dieser Affenhitze nicht auch noch kilometerlang durch den brennheißen Sand latschen müssen, von einem Hotelkomplex zum nächsten. Du kennst mich doch!« Und nun kann er nicht mehr anders, nun muss es einfach heraus: »Ich versteh überhaupt nicht, wie du auch nur auf so eine Idee kommen konntest. Und dann überrumpelst du mich, anstatt mir so was zu ersparen?«

 

Sparen, genau! Hier also ist er gelandet, der schwer renovierungsbedürftige Willibald: in einem ebenfalls schwer renovierungsbedürftigen, innerhalb der Eurozone langsa