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Am14. Oktober1803, einem Freitag, saß Elizabeth Darcy um elf Uhr vormittags am Tisch in ihrem Wohnzimmer im ersten Stock von Pemberley. Das Zimmer war nicht groß, aber besonders schön geschnitten, und die beiden Fenster boten einen Blick auf den Fluss. Diesen Raum hatte sich Elizabeth ausgesucht und ganz nach ihren Wünschen mit Möbeln, Vorhängen, Teppichen und Gemälden aus Pemberleys reichen Beständen ausstatten lassen. Darcy hatte die Arbeiten höchstpersönlich beaufsichtigt, und die Freude, die ihrem Mann ins Gesicht geschrieben stand, als Elizabeth das Zimmer in Besitz nahm, aber auch die Sorgfalt, mit der man ihren Wünschen nachgekommen war, hatten ihr, mehr noch als die prunkvollen Herrlichkeiten des Hauses, deutlich gemacht, über welche Privilegien Mrs. Darcy von Pemberley verfügte.
Fast ebenso sehr wie das Wohnzimmer gefiel ihr Pemberleys prächtige Bibliothek. Sie war das Werk mehrerer Generationen, dessen Reichtum nun ihr Mann mit Interesse und Vergnügen vergrößerte. Die Bibliothek in Longbourn war Mr. Bennets Domäne und wurde selbst von Elizabeth, seinem Lieblingskind, nur auf Einladung betreten. Die Bibliothek in Pemberley dagegen stand ihr genauso offen wie ihrem Mann. In den zurückliegenden sechs Jahren hatte sie, von Darcy zartfühlend und liebevoll unterstützt, mehr und mit größerer Freude gelesen als in den fünfzehn Jahren davor und so auch ihre Bildung verbessert, die, wie sie jetzt erkannte, immer nur elementar gewesen war. Auch die Dinners in Pemberley unterschieden sich sehr von denen, die sie in Meryton durchgestanden hatte. Damals hatten die immer gleichen Leute den immer gleichen Tratsch verbreitet und die immer gleichen Meinungen ausgetauscht; ein bisschen lustiger war es nur dann geworden, wenn sich Sir William Lucas in aller Ausführlichkeit ein weiteres faszinierendes Detail seiner Einführung bei Hof in Erinnerung rief. Jetzt fing sie die Blicke der Damen immer nur widerwillig auf, die besagten, dass es Zeit sei, die Herren mit ihren Männerthemen allein zu lassen. Sie hatte es als eine Offenbarung empfunden, dass es Männer gab, die eine intelligente Frau zu schätzen wussten.
Es war der Tag vor Lady Annes Ball. In der vergangenen Stunde hatte Elizabeth mit Mrs. Reynolds, der Haushälterin, überprüft, ob die bisherigen Vorbereitungen ordentlich ausgeführt waren und alles gut voranging. Jetzt war sie allein. Der Ball hatte zum ersten Mal in Darcys zweitem Lebensjahr anlässlich des Geburtstags seiner Mutter stattgefunden und war außer in der Trauerzeit nach dem Tod ihres Mannes alljährlich veranstaltet worden, bis Lady Anne selbst starb. Da er stets am ersten Samstag nach dem Oktobervollmond abgehalten wurde, lag er meistens nur wenige Tage vor oder nach dem Hochzeitstag von Darcy und Elizabeth, den sie jedoch immer in aller Ruhe mit den Bingleys verbrachten, die am selben Tag geheiratet hatten. Der Anlass war ihnen zu intim und kostbar, als dass sie ihn mit öffentlichen Festlichkeiten begehen wollten, und der Herbstball, der in der Grafschaft als das wichtigste gesellschaftliche Ereignis des Jahres galt, blieb auf Elizabeths Wunsch hin nach Lady Anne benannt.
Mr. Darcy hatte zwar seine Besorgnis geäußert, dass es diesmal womöglich nicht passend sei, den Ball abzuhalten – war doch der erwartete Krieg gegen Frankreich bereits erklärt worden, weswegen im Süden des Landes, wo man täglich mit dem Einmarsch Bonapartes rechnete, die Angst wuchs. Außerdem war die Ernte schlecht ausgefallen, was sich stets stark auf das Landleben auswirkt