: Andrea Grill
: Tränenlachen
: Otto Müller Verlag
: 9783701361533
: 1
: CHF 14.20
:
: Erzählende Literatur
: German
: 208
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Geschichte einer Österreicherin und eines Albaners ... Österreichs und Albaniens. Ein Anruf aus der Ferne weckt ihre Erinnerungen: an den Albaner Galip und wie sie ihn, kurz nach seiner Flucht nach Österreich, 1991 kennen lernte. Wie sich in Momente der Vertrautheit immer wieder ein Gefühl der Fremde einschlich, bis der Albaner aus dem Leben der jungen Österreicherin verschwand. In Briefen will sie ihm ihre gemeinsame Zeit noch einmal vor Augen führen. Es zeichnet sich ab, wie die politische Geschichte eines Landes die Geschicke des einzelnen prägen kann. Galip war durch die Liebe zu ihr mit dem fremden Land verbunden, eine Heimat ist es ihm nie geworden. Und auch Albanien konnte ihm kein wirkliches Zuhause mehr sein. 2007 bricht die Österreicherin erneut nach Albanien auf, das sie und Galip früher gemeinsam bereisten. Seine Familie nimmt sie auf, als sei keine Zeit vergangen. Doch das Land hat sich verändert. Und ein vom Dach gefallener Toter ist zu identifizieren. Andrea Grill skizziert mit feinen Linien die Beziehung zweier Menschen, in der sich zwei Kulturen begegnen. Es ergibt sich ein bezauberndes Gespinst aus Liebe und Freundschaft, enttäuschten Hoffnungen und der Verwunderung über das Unbekannte. Ein Roman über Grenzen aller Art und ihre Willkür.

Andrea Grill geboren 1975 in Bad Ischl, studierte u.a. in Salzburg und Thessaloniki und promovierte an der Universität Amsterdam über die Evolution endemischer Schmetterlinge Sardiniens. Sie schreibt Romane, Erzählungen und Gedichte, arbeitet als Übersetzerin aus dem Albanischen und veröffentlicht in Zeitungen und Zeitschriften. Für ihre Werke erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, so den Förderpreis der Stadt Salzburg 2010, den Otto Stoessl-Preis 2010 sowie den Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 2011. Nach Aufenthalten in Tirana, Cagliari (Sardinien), Neuchatel, Bologna und New York lebt sie in Wien.

Ein Mann ist tot und der andere am Verrotten und der dritte, der ist gefallen in … und man wird ihn nie wiedersehen. Im Übrigen ist es ruhig geworden in der Gegend, die Farbe dreizehn Millimeter dick. Alle werden sie gefüttert und relaxed, die Offiziere das Gegenteil. Drei Millionen Schutzkammern aus Beton an den Stränden, nun Ziegenställe auf den Feldern, Umkleidekabinen, die Farbe: zwei Millimeter dick. Sprühdosen. Pink Floyd steht geschrieben, wo früher ein Kopf war, Abbild des Diktators, nun auch gerollt. (Juni 1997)

Zur Zeit der Kriege im Balkan haben wir die Streitpunkte verlegt, als stünden wir beide uns als feindliche Mächte gegenüber. Dabei bin ich doch auf deiner Seite gewesen, du halt auf Seiten der Amerikaner, und da konnte ich mich nicht einfach dazustellen. Dann haben wirBenigni gesehen.Roberto, und seinschönes Leben – La vita è bella – und, du weißt es bestimmt noch, ich bin auch froh gewesen über die Ankunft der amerikanischen Retter. Im Film zumindest. Da bleibt es ja beim Mitleiden. Politisch waren wir naturgemäß ziemlich konträr eingestellt. Wer aus Albanien geflohen war, konnte nicht mit den Kommunisten sympathisieren.

Eines Tages sind wir selber als Schauspieler aufgetreten. Statist ist einer der wenigen Berufe gewesen, die du ohne Arbeitsgenehmigung ausüben durftest. Nach wie vor warst du offiziell Student. Es ist ein Kostümfilm gewesen. Weiße Handschuhe haben sie dir angezogen, mir seidige violette bis über den Ellbogen herauf und so ein Kleid, wie es Sissy in den Filmen anhat, wenn sie von Romy Schneider gespielt wird. Wir mussten uns auf der Terrasse des Kurhauses aufstellen und auf ein Zeichen hin ab und zu tanzen. Ein Sommerfest sollte es sein, nur war es Winter. Der Atem ist als weiße Wolke vor unseren Mündern gestanden. Wie sie den später wegretuschiert haben, aus dem Film? Womöglich sieht man die Hauche sogar, ich habe ihn mir ja nie angeschaut. Eine Serie ist es geworden,Der Salzbaron. Im Dorf wurde allenthalben Schotter auf die Straße geschüttet, damit es wirkt wie vor hundert Jahren, und die Litfasssäulen haben sie mit Reklamen von 1902 beklebt. In den Pausen sind Regieassistenten auf die Terrasse des Kurhotels geschwirrt, haben uns Mädchen Decken um die Schultern gelegt, Tee verteilt und heiße Schokolade. Gefroren habe ich trotzdem. Du weniger, denn du trugst einen Frack. Du hast ihn getragen, als wärst du für solche Gewänder gemacht. Als hättest du endlich gefunden, was dir entsprach. Einen Spazierstock hast du auch in der Hand gehabt, allerdings nicht beim Tanzen, in einer anderen Nacht, als wir aneinandergeschmiegt über die angeschotterte Kaiserfranzjosefstraße geschlendert sind.

Ein anderes Mal erhielt ich einen geflochtenen Korb voller Früchte, einen Bauernkittel, die Handschuhe fehlten, doch es blieb eine gewisse Vornehmheit, die Maske zog mir die Taille straf