Nicht im Pyjama
Bloß nicht genau hinschauen! Der Geruch sagte alles. Marina drückte die Spülung und tupfte sich mit Toilettenpapier die Lippen ab. Ihre Stirn glühte und der Pyjama klebte auf ihrer Haut. Im Haus war alles still. Kurz vor drei Uhr. Noch fünf Stunden, bis der Wecker klingelte. Bis dahin hatte sich hoffentlich wieder alles beruhigt und ihr würde es wieder blendend gehen. Bestimmt waren die Spaghetti schuld, die Chips oder das Schokoladeneis. Hatte sie gestern Abend sonst noch etwas gegessen? Jetzt einfach an etwas ganz Schönes denken: an Jan. Sich ganz fest auf ihn konzentrieren. Nur noch ein paar Stunden bis zu diesem bombastischen Wochenende. Zwei Tage mit der ganzen Clique ins Ferienhaus von Verenas Eltern am Bodensee. Es hatte eine halbe Ewigkeit gedauert, bis sie einen Termin gefunden hatten, an dem alle konnten. Und das Programm war dicht gedrängt: Baden, baden, baden. Wenn nur das Wetter mitmachte! Aber was viel wichtiger war: Jan hatte ihr versprochen, einen Abend mit ihr ganz allein zu verbringen, ganz romantisch in einem Restaurant direkt am Ufer. Allein beim Gedanken daran war das Rumoren in ihrem Magen schon völlig bedeutungslos.
Sie schlief zwar wieder ein, doch sie träumte so verrückte Sachen, dass sie immer wieder hochschreckte und nicht recht hätte sagen können, was real war und was sie geträumt hatte. Als der Wecker klingelte, hatte sie das Gefühl, keine Minute geschlafen zu haben. In ihrem Kopf pochte es. Im Mund hatte sie noch immer einen total schalen Geschmack. Sie fühlte sich, als wären drei Lastwagen über sie drübergefahren. War das stickig hier drin! Sie schwitzte am ganzen Körper. Schnell öffnete sie das Fenster. Warum gerade heute? An einem Schultag hätte sie laut »Danke!« gebrüllt und sich auf einen gemütlichen Fernsehtag gefreut. Aber nicht heute! In zwei Stunden würde Jan klingeln. Sie kroch ins Bett zurück. Ein paar Augenblicke. Bestimmt waren das nur die Nachwirkungen von gestern Nacht und ihr Körper brauchte heute einfach ein bisschen länger, bis er wieder funktionstüchtig war.
»Musst du nicht raus?«
Marina fuhr hoch. Ihre Mutter stand in der Tür und sah sie verwirrt an. Marina kroch aus dem Bett. War sie auf hoher See? Das Zimmer schaukelte hin und her.
»Alles okay mit dir?«
Marina nickte vorsichtig. Bei diesem Pochen in ihrem Kopf durfte sie kein Risiko eingehen. In einer Stunde kam Jan! Beeilung, aber subito!
»Ich hab dir Frühstück gemacht«, sagte ihre Mutter, »und ein paar Sandwiches für die Reise.«
Marina schnitt eine Grimasse. Essen? Sandwiches? Darauf hatte sie jetzt gar keinen Bock.
»Ich spring kurz unter die Dusche.« Sie wechselte ein paarmal zwischen heißem und eiskaltem Wasser.