: Philip Kerr
: Der Coup
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644211414
: 1
: CHF 10.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 448
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Welt hält den Atem an: Geiselnehmer haben die einundzwanzig reichsten Männer der Welt in ihre Gewalt gebracht. Sie drohen, einen nach dem anderen vor laufender Fernsehkamera zu exekutieren, wenn ihre Forderungen nicht am nächsten Tag erfüllt werden. Und sie meinen es ernst: Millionen von Amerikanern verfolgen im Internet entsetzt die erste Hinrichtung ... Philip Kerr schreibt «die intelligentesten Thriller seit Jahren» (Kircus Reviews).

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.

 

Die Speisekarte zu schreiben und dann die fertige Vorlage auf dem dicken grauen, fast transparenten Papier, das aussah wie aus einem Architekturbüro geklaut, in den nächsten Printshop zu bringen war jeden Morgen Eves Aufgabe. Während die Karte in Arbeit war, hatte Eve normalerweise nichts weiter zu tun, als in ein Village-Café auf der anderen Straßenseite zu gehen, einen Espresso zu trinken und einen Blick in dieNew York Daily News zu werfen. Das war für sie der einzige wirklich entspannte Moment des Tages. Heute Morgen jedoch begann ihre Entschlackungskur, und das hieß zweiundsiebzig Stunden keinen Kaffee. Außerdem wurde der Scanner im Printshop gerade gewartet, weshalb Mister Jamal, der Inhaber, erklärte, er werde die Speisekarten persönlich vorbeibringen, sobald sie fertig seien. Und aus irgendeinem Grund war heute dieDaily News nicht gekommen. Was alles zusammen bedeutete, dass Eve nur etwa zehn Minuten außerhalb des Restaurants verbracht hatte statt wie sonst eine Stunde. Aber das machte ihr im Grund nichts aus. Es galt, eine Ladung Krebse zu töten, und das tat sie lieber auf die sanfte Art, indem sie die Tiere in kaltes Leitungswasser legte, statt sie, wie so viele Köche, lebendig zu kochen. Sie auf diese Weise zu töten dauerte länger, aber Eve konnte den Gedanken nicht ertragen, dass irgendeine Kreatur ihretwegen leiden musste. Sie hätte ja gar keine Krebse gekocht, aber Brad, ihr Mann, hatte darauf bestanden, mit dem nicht ganz von der Hand zu weisenden Argument, ein New Yorker Restaurant, das im Sommer keine Krebse führte, würde bald Pleite gehen.

Wenn sie diese Aufgabe vor sich hatte, war Eve immer still und in sich gekehrt, deshalb dachte sie zunächst, es hätte sie einfach niemand ins Restaurant zurückkommen hören. Aber da war keine Spur von Brad, ihrem Mann, und Lorraine, der Frühschichtbedienung, die morgens die Teppiche saugte, die Tische deckte und manchmal auch Reservierungen entgegennahm. Es sah ganz so aus, als seien die beiden irgendwohin verschwunden.

Eve versuchte, nicht drüber nachzudenken, und ging direkt in die Küche, wo die Kiste mit lebenden Krebsen immer noch auf dem Fußboden stand. Die flehend zwischen den Holzlatten hindurchgestreckten Scheren erinnerten sie wie immer an den Holocaust, an die Viehwaggons voller Juden, die quer durch Europa ratterten, zu den Vernichtungslagern. Was war sie, Eve, anderes als ein Küchen-Eichmann? Die Aussicht, drei Dutzend Krebse zu Tode zu befördern, und sei es auf ihre sanfte Art, machte sie gereizt und deprimiert. Das war alles Brads Schuld. Warum konnte er sie nicht selbst töten? Natürlich kannte sie die Antwort. Brad machte es nichts aus, Krebse zu töten, so wenig wie die Vorstellung, ihnen Pein zuzufügen. Er warf sie einfach in kochendes Wasser und verhöhnte sie, Eve, mit einem brutalen, verächtlichen Lachen wegen ihrer zimperlichen Grimassen und zugehaltenen Augen. Das konnte Eve nicht ertragen.

«Wenn du sie auf humane Art getötet haben willst, musst du’s selbst machen», brüllte er dann. «Ich habe keine Zeit, den Dr. Kervorkian für