: Walter Wippersberg
: Eine Rückkehr wider Willen
: Otto Müller Verlag
: 9783701361526
: 1
: CHF 13.20
:
: Erzählende Literatur
: German
: 180
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Walter Wippersberg, bekannt als genauer Beobachter politischer Entwicklungen und als profunder Religionskritiker, erzählt diesmal über sich selbst. Er ist über sechzig, als er in die oberösterreichische Kleinstadt zurückkehrt, in der er aufgewachsen ist und die er neunzehnjährig verlassen hat. Er wird in jenes Krankenhaus eingeliefert, in dem er auch geboren wurde, und für eine Weile sieht es so aus, als würde er hier vielleicht auch sterben. Wippersberg erzählt von einer Nachkriegskindheit und von ein paar Monaten im Jahr 2006, die von lebensbedrohenden Krankheiten bestimmt sind. Auffallend genau, sehr eindringlich, ganz unsentimental und gerade deshalb berührend. Die beiden ineinander verschränkten Berichte lassen einen Sog entstehen, dem man sich kaum entziehen kann. Wie nebenbei öffnet das Buch Einblicke in die großen Fragen nach dem Leben und dem Tod und schlägt neben beklemmenden auch hoffnungsvolle Töne an.

Walter Wippersberg, geboren 1945 in Steyr, lebt als Schriftsteller, Regisseur und Filmemacher in Losenstein (OÖ) und Wien. Er ist ordentlicher Universitätsprofessor an der Wiener Filmakademie (Universität für Musik und darstellende Kunst), und seit 1990 Leiter der Klasse 'Drehbuch und Dramaturgie'. Walter Wippersberg veröffentlichte Theaterstücke, Hörspiele, Romane, Kinderbücher und Essays. Darüber hinaus ist er als Autor von TV-Dokumentationen, Drehbüchern und Filmen (u.a. 'Das Fest des Huhnes') tätig. Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen.

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VOM ANFANG ERZÄHLE ICH und von einer Zeit, die das Ende hätte sein können. Eine Art Vorspiel zum Leben das eine, eine Art Vorgeschmack aufs Sterben das andere. Zunächst erzähle ich für eine kleine Weile vom Anfang.

DAS KIND,ES MAG DREI oder dreieinhalb Jahre alt sein, sitzt unter einem schweren Holztisch. Ganz unten sind die Beine des Tisches durch starke Holzleisten miteinander verbunden, man kann, wenn man am Tisch sitzt, die Füße darauf stellen. Die nach außen weisenden oberen Kanten sind abgetreten, schon ganz rund, nur direkt an den Tischbeinen nicht. Jetzt sitzt niemand am Tisch. Aber das Kind kann die Füße eines noch jungen, doch schon erwachsenen Mannes sehen. Der heißt Hans und liegt auf einem Sofa, gleich neben dem Tisch. »Der Hans ist mein Freund«, sagt das Kind manchmal. Jetzt sitzt es unterm Tisch und singt. Einen von den Schlagern, die es alle Tage im Radio hört. Dann sagt das Kind: »Und jetzt der Wasserstandsbericht des hydrographischen Dienstes.« Das sind ein paar schwierige Wörter, aber das Kind hat sie oft gehört und merkt sich leicht, was es ein paarmal hört. »Engelhartszell vier Meter fünfzig, Linz drei Meter neunzig, Grein sieben Meter sechzig.« Dann sagt das Kind noch: »Wie immer sind alle Angaben ohne Gewehr. – Wieso ohne Gewehr?«

Der Hans lacht, gibt aber keine Antwort. Das Kind hat die Frage schon oft gestellt und noch nie eine Antwort bekommen, also sagt es: »Jetzt noch der Vermißtensuchdienst des Roten Kreuzes …« Der Hans aber sagt: »Ah, ich schalt das Radio jetzt aus.« Da sagt das Kind nichts mehr und kommt unterm Tisch hervor.

Ein halbes oder ganzes Jahr späte