: Leopold Von Sacher-Masoch
: Venus im Pelz Mit Autobiografie des Autors
: Null Papier Verlag
: 9783954180721
: Erotik bei Null Papier
: 3
: CHF 0.90
:
: Erzählende Literatur
: German
: 186
: kein Kopierschutz/Wasserzeichen
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: ePUB/PDF
Die Geschichte einer erbarmungslosen Liebe. Venus im Pelz ist eine Novelle (1870) von Leopold von Sacher-Masoch. Er beschreibt darin die extremen Wechselbäder der Gefühle, die der »Sklave« Severin durch seine Herrin Wanda erfährt. Mit Autobiographie des Autors. Null Papier Verlag

Leopold Ritter von Sacher-Masoch (geb. 27. Januar 1836 in Lemberg, Kaisertum Österreich; gest. 9. März 1895 in Lindheim, Hessen) war ein österreichischer Schriftsteller. Er schrieb auch unter den Pseudonymen Charlotte Arand und Zoë von Rodenbach. Bekannt wurde Masoch durch seine Fantasie und Kunst, triebhaftes Schmerz- und Unterwerfungsverlangen ästhetisch zu formulieren.

I.


Ich hat­te lie­bens­wür­di­ge Ge­sell­schaft.

Mir ge­gen­über an dem mas­si­ven Re­naissance­ka­min saß Ve­nus, aber nicht etwa eine Dame der Halb­welt, die un­ter die­sem Na­men Krieg führ­te ge­gen das feind­li­che Ge­schlecht, gleich Ma­de­moi­sel­le Cleo­pa­tra, son­dern die wahr­haf­te Lie­bes­göt­tin.

Sie saß im Fau­teuil1 und hat­te ein pras­seln­des Feu­er an­ge­facht, des­sen Wi­der­schein in ro­ten Flam­men ihr blei­ches Ant­litz mit den wei­ßen Au­gen leck­te und von Zeit zu Zeit ihre Füße, wenn sie die­sel­ben zu wär­men such­te.

Ihr Kopf war wun­der­bar trotz der to­ten Stein­au­gen, aber das war auch al­les, was ich von ihr sah. Die Heh­re hat­te ih­ren Mar­mor­leib in einen großen Pelz ge­wi­ckelt und sich zit­ternd wie eine Kat­ze zu­sam­men­ge­rollt.

»Ich be­grei­fe nicht, gnä­di­ge Frau«, rief ich, »es ist doch wahr­haf­tig nicht mehr kalt, wir ha­ben seit zwei Wo­chen das herr­lichs­te Früh­jahr. Sie sind of­fen­bar ner­vös.«

»Ich dan­ke für euer Früh­jahr«, sprach sie mit tiefer stei­ner­ner Stim­me und nies­te gleich da­nach himm­lisch, und zwar zwei­mal rasch nach­ein­an­der; »da kann ich es wahr­haf­tig nicht aus­hal­ten, und ich fan­ge an zu ver­ste­hen –«

»Was, mei­ne Gnä­di­ge?«

»Ich fan­ge an das Un­glaub­li­che zu glau­ben, das Un­be­greif­li­che zu be­grei­fen. Ich ver­ste­he auf ein­mal die ger­ma­ni­sche Frau­en­tu­gend und die deut­sche Phi­lo­so­phie, und ich er­stau­ne auch nicht mehr, dass ihr im Nor­den nicht lie­ben könnt, ja nicht ein­mal eine Ah­nung da­von habt, was Lie­be ist.«

»Er­lau­ben Sie, Ma­da­me«, er­wi­der­te ich auf­brau­send, »ich habe Ih­nen wahr­haf­tig kei­ne Ur­sa­che ge­ge­ben.«

»Nun, Sie –« die Gött­li­che nies­te zum drit­ten Male und zuck­te mit un­nach­ahm­li­cher Gra­zie die Ach­seln, »da­für bin ich auch im­mer gnä­dig ge­gen Sie ge­we­sen und be­su­che Sie so­gar von Zeit zu Zeit, ob­wohl ich mich je­des Mal trotz mei­nes vie­len Pelz­werks rasch er­käl­te. Erin­nern Sie sich noch, wie wir uns das ers­te­mal tra­fen?«

»Wie könn­te ich es ver­ges­sen«, sag­te ich, »Sie hat­ten da­mals rei­che brau­ne Lo­cken und brau­ne Au­gen und einen ro­ten Mund, aber ich er­kann­te Sie doch so­gleich an dem Schnitt Ihres Ge­sich­tes und an die­ser Mar­mor­bläs­se – Sie tru­gen stets eine veil­chen­blaue Samt­ja­cke mit Feh­pelz2 be­setzt.«

»Ja, Sie wa­ren ganz ver­liebt in die­se Toi­let­te, und wie ge­leh­rig Sie wa­ren.«

»Sie ha­ben mich ge­lehrt, was Lie­be ist, Ihr hei­te­rer Got­tes­dienst ließ mich zwei Jahr­tau­sen­de ver­ges­sen.«

»Und wie bei­spiel­los treu ich Ih­nen war!«

»Nun, was die Treue be­trifft –«

»Un­dank­ba­rer!«

»Ich will Ih­nen kei­ne Vor­wür­fe ma­chen. Sie sind zwar ein gött­li­ches Weib, aber doch ein Weib, und in der Lie­be grau­sam wie je­des Weib.«

»Sie nen­nen grau­sam«, ent­geg­ne­te die Lie­bes­göt­tin leb­haft, »was eben das Ele­ment der Sinn­lich­keit, der hei­te­ren Lie­be, die Na­tur des Wei­bes ist, sich hin­zu­ge­ben, wo es liebt, und al­les zu lie­ben, was ihm ge­fällt.«

»Gibt es für den Lie­ben­den etwa eine grö­ße­re Grau­sam­keit als die Treu­lo­sig­keit der Ge­lieb­ten?«

»Ach!« – ent­geg­ne­te sie – »wir sind treu, so lan­ge wir lie­ben, ihr aber ver­langt vom Wei­be Treue ohne Lie­be, und Hin­ge­bung ohne Ge­nuss, wer ist da grau­sam, das Weib oder der Mann? – Ihr nehmt im Nor­den die Lie­be über­haupt zu wich­tig und zu ernst. Ihr sprecht von Pf­lich­ten, wo nur vom Ver­gnü­gen die Rede sein soll­te.«

»Ja, Ma­da­me, wir ha­ben da­für auch sehr acht­ba­re und tu­gend­haf­te Ge­füh­le und dau­er­haf­te Ver­hält­nis­se.«

»Und doch die­se ewig rege, ewig un­ge­sät­tig­te Sehn­sucht nach dem nack­ten Hei­den­tum«, fiel Ma­da­me ein, »aber jene Lie­be, wel­che die höchs­te Freu­de, die gött­li­che Hei­ter­keit selbst ist, taugt nicht für euch Mo­der­nen, euch Kin­der der Re­fle­xi­on. Sie bringt euch Un­heil.So­bald ihr na­tür­lich sein wollt, wer­det ihr ge­mein. Euch er­scheint die Na­tur als et­was Feind­se­li­ges, ihr habt aus uns la­chen­den Göt­tern Grie­chen­lands Dä­mo­nen, aus mir eine Teu­fe­lin ge­macht. Ihr könnt mich nur ban­nen und ver­flu­chen oder euch selbst in bac­chan­ti­schem Wahn­sinn vor mei­nem Al­tar als Op­fer schlach­ten, und hat ein­mal ei­ner von euch den Mut ge­habt, mei­nen ro­ten Mund zu küs­sen, so pil­gert er da­für bar­fuß im Bü­ßer­hemd nach Rom und er­war­tet Blü­ten von dem dür­ren Stock, wäh­rend un­ter mei­nem Fuße zu je­der Stun­de Ro­sen, Veil­chen und Myr­ten em­por­schie­ßen, aber euch be­kommt ihr Duft nicht; bleibt nur in eu­rem nor­di­schen Ne­bel und christ­li­chem Weih­rauch; lasst uns Hei­den un­ter dem Schutt, un­ter der Lava ru­hen, grabt uns nicht aus, für euch wur­de Pom­pe­ji, für euch wur­den un­se­re Vil­len, un­se­re Bä­der, un­se­re Tem­pel nicht ge­baut. Ihr braucht kei­ne Göt­ter! Uns friert in eu­rer Welt!« Die schö­ne Mar­mordame hus­te­te und zog die dun­keln Zo­bel­fel­le um ihre Schul­tern noch fes­ter zu­sam­men.

»Wir dan­ken für die klas­si­sche Lek­ti­on«, er­wi­der­te ich, »aber Sie kön­nen doch nicht leug­nen, dass Mann und Weib in Ih­rer hei­te­ren son­ni­gen Welt eben­so gut wie in un­se­rer neb­li­gen, von Na­tur Fein­de sind, dass die Lie­be für die kur­ze Zeit zu ei­nem ein­zi­gen We­sen ver­eint, das nur ei­nes Ge­dan­kens, ei­ner Emp­fin­dung, ei­nes Wil­lens fä­hig ist, um sie dann noch mehr zu ent­zwei­en, und – nun Sie wis­sen es bes­ser als ich – wer dann nicht zu un­ter­jo­chen ver­steht, wird nur zu rasch den Fuß des an­de­ren auf sei­nem Na­cken füh­len –«

»Und zwar in der Re­gel der Mann den Fuß des Wei­bes«, rief Frau Ve­nus mit über­mü­ti­gem Hoh­ne, »was Sie wie­der bes­ser wis­sen als ich.«

»Ge­wiss, und eben des­halb ma­che ich mir kei­ne Il­lu­sio­nen.«

»Das heißt, Sie sind jetzt mein Skla­ve ohne Il­lu­sio­nen, und ich wer­de Sie da­für auch ohne Er­bar­men tre­ten.«

»Ma­da­me!«

»Ken­nen Sie mich noch nicht, ja, ich bingrau­sam – weil Sie denn schon an dem Wor­te so viel Ver­gnü­gen fin­den – und habe ich nicht recht, es zu sein? Der Mann ist der Be­geh­ren­de, das Weib das Be­gehr­te, dies ist des Wei­bes gan­zer, aber ent­schei­den­der Vor­teil, die Na­tur hat ihm den Mann durch sei­ne Lei­den­schaft preis­ge­ge­ben, und das Weib, das aus ihm nicht sei­nen Un­ter­tan, sei­nen Skla­ven, ja sein Spiel­zeug zu ma­chen und ihn zu­letzt la­chend zu ver­ra­ten ver­steht, ist nicht klug.«

»Ihre Grund­sät­ze, mei­ne Gnä­di­ge«, warf ich ent­rüs­tet ein.

»Be­ru­hen auf tau­send­jäh­ri­ger Er­fah­rung«, ent­geg­ne­te Ma­da­me spöt­tisch, wäh­rend ihre wei­ßen Fin­ger in dem dun­keln Pelz spiel­ten, »je hin­ge­ben­der das Weib sich zeigt, umso schnel­ler wird der Mann nüch­tern und her­risch wer­den; je grau­sa­mer und treu­lo­ser es aber ist, je mehr es ihn miss­han­delt, je fre­vel­haf­ter es mit ihm spielt, je we­ni­ger Er­bar­men es zeigt, umso mehr wird es die Wol­lust des Man­nes er­re­gen, von ihm ge­liebt, an­ge­be­tet wer­den. So war es zu al­len Zei­ten, seit He­le­na und De­li­la, bis zur...