Drittes Stück
Pinocchio kommt auf die Welt – Seine ersten Spitzbubereien
Ein kleines Zimmer zu ebener Erde war Geppettos ganze Wohnung. Es hatte ein einziges Fenster und war nur notdürftig ausgestattet. Ein wackeliger Stuhl, ein wurmstichiger Tisch, ein elendes Bett, das waren die Möbel des armen Schnitzers. – In der Ecke stand ein kleiner eiserner Ofen; er brannte lustig, und das Wasser in dem Topfe, der darauf stand, kochte und dampfte, dass es eine Freude war.
Als Geppetto nach Hause kam, nahm er gleich sein Werkzeug und fing an, die Marionette zu schnitzen.
Es quälte ihn nur noch eine Sorge. Er wackelte mit dem Kopfe hin und her, sann und dachte und fragte sich: »Ein Name!? – Ein Name!? – Was für einen Namen soll ich meiner Marionette geben?« Plötzlich sprang er auf, griff sich an die Stirne und sagte:
»Ja! – ›Pinocchio‹ muss er heißen. Das ist ein schöner Name und er bringt ihm Glück. Ich habe eine ganze Familie Pinocchio gekannt: der brave Vater Pinocchio, die fleißige Mutter Pinocchio, die Pinocchio Buben, alle so tüchtig, und allen ist es in der Welt gut gegangen. Einer von ihnen hat sogar Kienholz in der Stadt verkauft.«
Als Geppetto den Namen gefunden hatte, arbeitete er mit doppeltem Eifer. – Schon konnte man die Haare, die Stirne, die Augen der Marionette erkennen.
Wie zittert da plötzlich die Hand des emsigen Schnitzers! – Die Holzaugen rollen wie Glaskugeln, bleiben stehen und schauen den Meister starr und steif an.
Geppetto wurde stets ärgerlich, wenn ihn jemand fixierte, und sagte jetzt gereizt:
»Stiert mich nicht so blöde an, ihr hölzernen Glotzaugen!«
Allein die Augen kümmerten sich um des Meisters Worte nicht. – Verstimmt arbeitete Geppetto weiter und formte die Nase.
Eine neue Überraschung! – Aus dem Gesichte heraus wächst und wächst das Holz, und in wenigen Minuten steht eine Nase da, so lang und spitz wie eine Gelbrübe.
Alle Mühe, sie kurz und stumpf zu schneiden, ist verloren; je mehr der arme Geppetto schnitzt, desto schneller wächst die Nase. Er musste sie schließlich lassen, wie sie wachsen wollte.
Geduldig fuhr er fort zu arbeiten und bildete den Mund. – Eine andere Ungezogenheit: die Marionette lacht und schneidet Grimassen.
»Lass das dumme Lachen!« gebietet der Meister; aber alles Reden ist umsonst.
»Lass mir das Lachen, ich sag’ es dir zum letzten Male!« Siehe da! Der Kleine lacht nicht mehr, er streckt aber die Zunge weit heraus.
Geppetto wollte sich nicht mehr stören lassen, tat, als merke er nichts, und schaffte ruhig weiter. Das Kinn, der Hals, die Schultern, der Leib, die Arme, die Hände des hölzernen Männleins gelangen dem Künstler tadellos. – Geppetto schnitzte eben die Füße, als er merkte, dass ihm jemand die Perücke vom Kopfe zog. Er schaute auf und sah – nein, diese Buberei! – die Kopfbedeckung in der Hand der Marionette.
»Pinocchio, setze mir gleich die Perücke wieder auf!«
Der Schlingel aber hatte sich die gelbe Mütze schon über den eigenen Kopf gezogen und stak so tief darin, dass er schier erstickte. All diese Unarten der Marionette verdarben dem wackeren Geppetto die gute Laune. Traurig und wehmütig hielt er mit der Arbeit inne und sprach:
»Womit habe ich das verdient? – Wollte ich nicht eine schöne brave Marionette zuwege bringen? – Und nun! – Was soll das noch werden? – Er ist ein Schlingel, noch ehe er fertig ist. Ich fürchte, ach, er wird ein Unglücksbube.«
Tränen glänzten dem guten Alten in den Auge